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das wird„Man sucht sich ja nicht aus, sich mit Rassismus zu beschäftigen“

Natasha A. Kelly liest in Bremen aus ihrem Buch „Schwarz. Deutsch. Weiblich“

Von Wilfried Hippen

taz: Frau Kelly, in Ihrem Buch führen Sie die feministische und die antirassistischen Debatten zusammen. Warum geht für Sie das eine nicht ohne das andere?

Natasha A. Kelly: Aus meiner Perspektive einer Schwarzen Frau ist dies nur eine Debatte, weil wir Sexismus und Rassismus immer gleichzeitig erleben. Es geht mir darum, Mehrfachdiskriminierung in den Blick zu bekommen, denn anders als beim Mainstreamfeminismus erfahren hier Frauen ihre Unterdrückung nicht nur aufgrund ihrer Genderzugehörigkeit. Und diese Erkenntnis will ich mit meinem Buch in die Mitte der Gesellschaft tragen.

taz: Um dies zu verdeutlichen haben Sie sowohl persönliche wie auch theoretische Texte geschrieben. Warum haben Sie diese Form gewählt?

Lesung: 25. 2. um 18 Uhr in der Bremer Kunsthalle. Der Eintritt ist frei

Kelly: Es gibt eine individuelle Ebene, auf der es sowohl Erzählungen aus meiner eigenen Biografie wie auch biografische Episoden von anderen Frauen gibt. Und es gibt eine strukturelle Ebene, auf der ich zeige, wie diese Erfahrungen zu kollektiven Erfahrungen werden, die uns Schwarze Frauen aufgrund der Art, wie die Gesellschaft strukturiert ist, zu einer Gruppe machen. Als ich als Kind nach Deutschland kam, lebte ich in einem kleinen Dorf in Norddeutschland, in dem wir damals die einzige Schwarze Familie waren. Und da habe ich sehr viel Rassismus am eigenen Leib erlebt. In meiner Jugend habe ich die Erfahrungen gemacht, dass niemand so aussieht wie ich, weder in der Schule noch in den Medien noch in den Schulbüchern, Zeitschriften. Und diese Erfahrungen teilen viele Personen, die ebenfalls Schwarz, weiblich und deutsch sind, auch wenn ihre biografischen Geschichten andere sind.

taz: Und die Debatte ist nicht neu, wie Sie mit historischen Bespielen belegen.

Kelly: In Deutschland leben schon seit 400 Jahren Schwarze Menschen. Hier gab es schon im 18. Jahrhundert Menschen wie Anton Wilhelm Amo, den ersten Schwarzen Professor an einer deutschen Universität, der 1721 seine Dissertation über das Recht von Schwarzen Menschen in Europa geschrieben hat. An dem Hof des Herzogs von Braunschweig-Wolfenbüttel, an dem er aufwuchs, gab es aber auch versklavte Schwarze Frauen. In jeder Zeit der deutschen Geschichte gab es hierzulande Schwarze Menschen und es ist strukturell bedingt, warum dennoch viele Menschen glauben, dass wir nicht zu Deutschland gehören.

Foto: privat

Natasha A. KellyJahrgang 1973, ist Autorin, Herausge­berin, Kuratorin und bildende Künstlerin sowie Gastprofessorin an der Universität der Künste Berlin.

taz: Was hat Sie dazu inspiriert, dieses Buch zu schreiben?

Kelly: Man sucht sich ja nicht aus, sich mit Rassismus zu beschäftigen. Wir müssen schon im Kindesalter lernen, einen Umgang damit zu finden. Aber erst in meinem Studium habe ich begonnen mich analytisch damit zu befassen. Als ich dann durch eine wissenschaftliche Brille darauf geblickt habe, konnte ich die Thematik mit einer gewissen Expertise angehen. Das passiert leider viel zu wenig bei Antirassismus-Debatten, die sowohl in den Medien wie auch in der Politik stark entprofessionalisiert sind.

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