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das wird„Manche können nicht mit anderen wohnen“

Malte Block fordert Wohnungen für Teenager, die auf der Straße landen

Von Kaija Kutter

taz: Herr Block, warum braucht Hamburg Wohnungen für Straßenkinder?

Malte Block: Wir haben eine Lücke im Hilfsangebot für junge Menschen. Der Kinder- und Jugendnotdienst ist überbelegt. Es gibt lange Wartezeit für Plätze in Wohngruppen. Und es gibt junge Menschen, die es nicht schaffen, unter den dortigen Voraussetzungen zu leben.

taz: Wieso nicht?

Block: In den Wohngruppen sind acht, neun oder zehn Jugendliche an einem Ort. Diesen Stress halten viele nicht aus. In kleineren Gruppen zu viert oder fünft läuft es besser, das sahen wir in der Coronazeit. Aber manche können gar nicht mit anderen wohnen. Für die ist eine eigene Wohnung die einzige Lösung.

taz: Darum wollen Sie Einzelwohnen für Jugendliche einführen?

Block: Dass Jugendliche einzeln in trägereigenen Wohnungen wohnen und ambulant betreut werden, gibt es schon. Aber mit hohen Hürden. Sie müssen schon 16 Jahre alt sein und in kürzester Zeit lernen, eigenständig zu leben. Das ist schwierig.

taz: Das wäre bei der Arbeitsgemeinschaft „Wohnungen für Straßenkinder“ anders?

Block: Dieser Wohnraum wäre eine niedrigschwellige Unterbringung im Einzel-Setting, bei dem feste Sozialarbeiter 24/7 erreichbar sind. Es wäre für junge Menschen, die sonst nichts finden. Die ausgegrenzt sind, weil sie intensive Begleitung benötigen und für manche Prozesse sehr lange brauchen. Die etwa wegen Drogenproblemen vom System ausgeschlossen sind. Sie haben so wenig Angebote, dass sie oft bei unserem Träger in der Not-Übernachtung landen. Die müssen im Notdienst lange, lange verweilen, weil es nichts für sie gibt.

taz: Bekommen nur Jugendliche, die clean sind, einen Platz?

Fachtagung „Obdachlose Kids von der Straße holen!“, Fr, 21. 2., ab 9.30 Uhr im Wichern-Saal, Rauhes Haus, Horner Weg 190, Hamburg

Block: Es herrscht ein Abstinenzparadigma. Es heißt: Willst du diesen Wohnraum, musst du dich erst entgiften, dann auf Therapie gehen. Oder du entgiftest und kommst dann zu uns und lässt dich ambulant begleiten. Das können viele nicht. Das ist für viele junge Menschen der Weg auf die Straße.

taz: Und hier gäbe es das nicht?

Block: Es ist etwas Neues für die, die unversorgt bleiben. Für die, die drehtürartig immer nur kurz in einer Wohngruppe und wieder im Notdienst sind. Hier sind junge Menschen unterversorgt, die aber einen Rechtsanspruch darauf haben. Deswegen geben wir von der AG „Wohnraum für Straßenkinder“ den Impuls, etwas Zusätzliches zu schaffen. Dafür brauchen wir aber andere Träger. Wir brauchen eine Sozialbehörde, die dahinter steht, auch politisch. Und wir brauchen Jugendämter, die mitziehen.

taz: Sie laden zu einem Fachtag. Was wird da besprochen?

Block: Wir stellen Trägern, Behörden, Jugendämtern und Fachpublikum unsere Eckpunkte vor. Damit wir sagen können, das ist ein realistisches Angebot für den Bedarf junger Menschen, das wird unterstützt.

taz: Um wie viele Plätze geht es?

Block: Wir besprachen mit der Sozialbehörde, dass wir mit einem Pilot von zwölf bis 15 Plätzen starten, angeboten von einem oder mehreren Trägern. Der Bedarf ist höher. Wir brauchen jetzt die Unterstützung der Wohnungswirtschaft. Unser Vorbild ist die „Werkstatt Solidarität in Essen“ in Nordrhein-Westfalen. Dort stellte die Wohnungswirtschaft mehrere Hundert Wohnungen.

Foto: privat

Malte Block52, Pädagoge, Bereichsleiter Abteilung Jugendsozialarbeit beim Hamburger Träger basis&woge, Gründungsmitglied des Bündnis für Straßenkinder in Deutschland und Mitautor des Eckpunktepapiers „Housing First – auch für junge Menschen!“

taz: Gibt es Kritik am Konzept?

Block: Es heißt, man bräuchte gewisse Reife, Einzelwohnen sei erst ab 16 möglich. Aber aus Essen wissen wir, dass junge Menschen drei, vier Jahre brauchen, um sich eine Wohnung anzueignen. Wir möchten 14 und 15-Jährige davon nicht ausschließen. Sie haben dann Zeit, in ihrer Wohnung die Skills zu lernen, um darin zu wohnen. 14-Jährige können so vier Jahre trainieren, die Wohnung zu halten, um sie dann zu übernehmen, 17-Jährige versagen in dem einen Jahr häufig und sind dann mit 18 obdachlos.

taz: Was sagt das Gesetz dazu?

Block: Die Landesjugendämter haben da Spielraum. Hamburgs Sozialbehörde prüft das gerade. Die „Werkstatt Solidarität Essen“ hat hier ein Konzept, das sie Hamburg bereitstellen würde. Und es ist geplant, dass die Behörde mit uns Essen besucht. Deshalb bin ich zuversichtlich.

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