das wird: Bleibende Spuren
Wie sich Antisemitismus in der deutschen Sprache niederschlägt: Ronen Steinke spricht in Oldenburg
Von Alexander Diehl
Man muss wirklich nicht lange danach suchen: Am vergangenen Sonntag stand es in der taz, genauer: in einer Krimi-Rezension auf taz.de: „Im Hintergrund jedoch mauschelt auch er ganz schön herum“, lesen wir da über eine der Figuren, „nämlich mit dem schmierigen Baumogul Herbert Sandner (Rainer Wöss).“ Nun soll hier kein*e Autor*in bloßgestellt werden und kein*e Redakteur*in. Für diesen Gebrauch des Verbs „mauscheln“ fänden sich viele weitere Beispiele, und das weiß Gott nicht nur in dieser Zeitung. „Mauscheln“ steht auch in manch gut gemeinter Pressemitteilung, etwa wenn eine Opposition intransparentes Regierungs-Tun zu skandalisieren sucht.
„Oft wird es ohne böse Absicht verwendet“, schreibt Ronen Steinke im Buch „Antisemitismus in der Sprache“ (Duden-Verlag, 8 Euro). Denn das ist hier der Knackpunkt: Das Verb ist „abgeleitet von Mauschel, der jiddischen Form des Vornamen Moses“, so Steinke. Wer im lichtfernen Hinterzimmer andere zu übervorteilen sucht, redet also „wie Mosche“. Das prägt die Mehrzahl jiddischer Lehnworte im heutigen (Alltags-)Deutsch: Auch das „Geschacher“ kommt mit abwertender Färbung daher, und wer seine Familie als „Mischpoke“ bezeichnet, hat seine mindestens gemischte Haltung zum so bezeichneten Kollektiv ziemlich deutlich gemacht.
Sprache lebt halt, ließe sich einwenden, und dass Worte sich doch lösen lassen von ihrem problematischen Ursprung. Und gibt es nicht sogar die ganz bewusste, die Wieder-Aneignung einst als Beschimpfung gemeinter Worte? Stimmt – so wie es auch positiv gefärbte Verwendungen jiddischer Worte gibt: „Schmusen“ ist doch was Schönes?
Vortrag „Wenn die Mischpoke mauschelt. Antisemitismus in der Sprache“ mit Ronen Steinke: Mi, 19 Uhr, Landesbibliothek Oldenburg, Vortragsraum, Eintritt frei
Bloß: Die Entgiftung eines Wortes ist nicht einfach erreicht, wenn es ein*e Sprecher*in ganz aufrichtig anders meint. Beim Mauscheln oder dem Geschacher gibt es schlicht keine andere, wohlmeinendere Konnotationen – siehe oben. (Kein Witz: Während diese Zeilen geschrieben werden, fordert der Sozialverband Deutschland, Landesverband Hamburg in einer E-Mail: „Geschacher um die Kindergrundsicherung muss aufhören!“)
Den Untergrund unseres Vokabulars zu kennen, ist Voraussetzung für einen Gebrauch, der nicht riskiert, andere zu verleumden oder zu verletzen, bloß weil wir das halt immer schon so gemacht haben. Ronen Steinke zuzuhören, wenn er nun zu Gast ist in der laufenden Jiddisch-Ausstellung in Oldenburg: Das wird dabei sicher nicht schaden.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen