James Bridle bekommt Preis aberkannt: Boykottieren und boykottiert werden
Eigentlich sollte James Bridle am Mittwoch einen Architekturpreis in Deutschland bekommen. Wegen seiner Unterstützung eines Israel-Boykotts wird daraus nichts.
Bridle ist Künstler:in und Publizist:in und verwendet für sich das Pronomen they. In England aufgewachsen, lebt Bridle seit einigen Jahren auf Ägina, einer von Übertourismus betroffenen griechischen Insel, und betreibt dort ein ökologisches Kreativ-Hub. Internationale Aufmerksamkeit erlangte Bridle mit dem Buch „New Dark Age“, das die Gefahren digitalen Analphabetentums beschreibt.
Preisanlass war nun aber Bridles jüngste Publikation, „Die unfassbare Vielfalt des Seins“. Das Werk fordert zum Umdenken in Bezug auf die Beziehung zwischen Natur und Technik auf. Dieser Aspekt interessierte die Schelling Stiftung, die sich, laut Stiftungsratsvorsitzender Ursula Baus, an Themen wie „Natur, Technik, menschliche und nichtmenschliche Intelligenz, Landschaft und Bauen“ orientiert.
Nun muss sich die Stiftung vorwerfen lassen, dass sich der Inhalt von Bridles Buch nicht verändert hat und Bridles Haltung zur israelischen Palästinapolitik bekannt war. So schreibt er in einem Text über den Einfluss von Grenzen auf Migrationsbewegungen von einer „Apartheidmauer durch das besetzte Westjordanland“. Damit werden Begrifflichkeiten benutzt, die auf eine Nähe zur transnationalen Boycott-Divestments-and-Sanctions-Bewegung (BDS) hinweisen können.
Unscharfe Argumentationen
Wer hellhörig wird, findet im Netz Hinweise auf frühere Solidaritätsunterschriften von Bridle für ähnliche Kampagnen, so zum Beispiel von 2021 (#VisualArtsforPalestine campaign). Auf Nachfrage der taz bestätigt Bridle, dass er in den vergangenen Jahren mehrere Boykottaufrufe unterschrieben habe.
Für die Schelling Stiftung führte der Begriff des Boykotts zur Absage der Preisverleihung. Das bedeute, so Baus, eine „ultimative Dialogverweigerung“. Nun reagiert aber wiederum die Schelling Stiftung durch die Ausladung Bridles mit Dialogverweigerung. In ihrem öffentlichen Statement erklärt sie, dass sie weder einen Aufruf zur kulturellen Isolation Israels unterstütze noch damit in Verbindung gebracht werden möchte. Diese Argumentation ist genau genommen, wie auch vieles im Boykottaufruf selbst, unscharf. Denn er gilt nicht der „kulturellen Isolation Israels“, sondern Institutionen, die die (unscharfen) Forderungen der Unterzeichnenden nicht erfüllen.
Die Schelling Stiftung beruft sich in ihrer Entscheidung explizit auf die Resolution des Deutschen Bundestags von Anfang November zum Schutz jüdischen Lebens, die betont, dass keine staatlichen Subventionen an Kulturschaffende vergeben werden sollen, die „zum Boykott Israels aufrufen oder die die BDS-Bewegung aktiv unterstützen“.
Am Beispiel der privaten Schelling Stiftung zeigt sich nun erneut, wie verfahren die Situation ist. Die aktuellen politischen Direktiven scheinen den Graben zwischen Künstler:innen und Institutionen zu vertiefen und den Spielraum für Dialog, etwa zu Bridles Utopie einer „Welt ohne territoriale Grenzen“, zu verkleinern.
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