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das portraitDorothee Bär, Expertin für alles aus Erfahrung

Foto: Frank Hörmann/Sven Simon/imago

Sie kennt die Macht der sozialen Medien wie kaum eine andere Politikerin derzeit. Nun trifft Dorothee Bär, noch Staatsministerin im Bundeskanzleramt und Beauftragte für Digitalisierung, selbst die Wucht der Empörung im Netz. Ein Ausschnitt aus einer Maischberger-Sendung von 2017 macht derzeit die Runde auf Twitter. Darin wird die CSU-Politikerin von der Moderatorin gefragt, ob der Mensch der Verursacher der Erderwärmung sei. Bärs Antwort: Sie glaube nicht, dass der Mensch die 100-prozentige Ursache und nicht schuld an irgendwas sei. Sie beruft sich dabei auf ihren „gesunden Menschenverstand“ und ihre Expertise als „Erfahrungsjuristin“ und „Erfahrungsklimaforscherin“.

Die Reaktion aus dem Netz kommt prompt. Kübelweise Häme und virtuelles Kopfschütteln. Bär, eine Klimawandelleugnerin? Kommt nicht gut in der heißen Phase des Wahlkampfs, auch wenn das Video jahrealt ist – und Bär von Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber in der Talkshow umgehend zurechtgewiesen wurde.

Das Video taucht zur Unzeit in Bärs Lieblingsmedium auf. Schließlich ist sie seit Kurzem im sogenannten Zukunftsteam von Kanzlerkandidat Armin Laschet, zuständig für das „update für den Staat“. Der virtuelle Raum ist zudem ihre Spielwiese. Dort erfährt die Welt, dass auf ihrer luxuriösen Handtasche ihre Initialen D. B. eingeprägt sind, dass sie Pink in allen Variationen liebt, dass sie Jägerin und Gamerin ist. Es gibt Fotos von Terminen mit Schafen, mit Kartoffeln und bei der Weinprobe. Nicht zu vergessen bei einem freudestrahlenden Lauf durch den Schnee. Vermutlich in der bayerischen Heimat.

Bär ist klassische Berufspolitikerin. 1978 in Bamberg geboren, tritt sie schon mit 14 Jahren in die Junge Union ein, ab 1994 ist sie CSU-Mitglied. Von da an geht es steil bergauf. CSU-Parteivorstand, Bundestag, der Aufstieg als Staatssekretärin ins Verkehrsministerium – und 2018 ins Kanzleramt. Sie versteht sich nicht nur auf die sozialen Medien, sondern auch feinste Lobbyarbeit mit der Digitalindustrie.

Jetzt schielt sie auf ein Mi­nis­te­r:in­nen­amt. Kommt es, wie die Union will, wird es ein eigenes Digitalministerium geben. Fürsprecher hätte Bär aus der Industrie, die sie sogar im Wirtschaftministerium salonfähig gemacht hat. Die Gamingszene steht hinter ihr, Start-up-Verbände, selbst der Chaos Computer Club schätzen ihr Wissen. Sie wird zu Talks via Clubhouse und Twitch geladen, propagiert Flugtaxis als Verkehrsmittel der Zukunft. Was man eben so macht als digitalaffine Politikerin. Unterschätzen sollte man Bär also nicht. Tweets und Instalove allein werden aber nicht reichen. Tanja Tricarico

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