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das portraitFordert Aufklärung über den Tod ihres Bruders nach Polizei­gewalt: Assa Traoré

Foto: laif

Bald ist es vier Jahre her seit dem Tag, der das Leben von Assa Traoré für immer ändern sollte. Am 19. Juli 2016 starb ihr Bruder Adama bei einer Festnahme in Persan im Norden von Paris. Seither verlangt die heute 35-Jährige im Namen der Familie Traoré, dass die drei Gendarmen, die den 24-jährigen Adama überwältigten und dazu – laut eigenen Angaben – zu dritt seinen Oberkörper zu Boden drückten, vor Gericht gestellt werden. „An diesem Tag haben sie meinen Bruder getötet“, sagt Traoré in Interviews.

Mit den Ausflüchten der Staatsanwaltschaft, die diesen Todesfall mit Bedauern, aber ohne Aufsehen und vor allem ohne gerichtliche Konsequenzen zu den Akten legen wollte, konnte sie sich nie abfinden. An der Spitze des „Komitees Adama“ fordert Traoré überall, wo sie reden kann, Aufklärung und Sühne für die „Polizeigewalt“. Das ist mittlerweile ein Vollzeitjob. Die Mutter von drei Kindern hat sich von ihrer Arbeit als Sozialpädagogin in Sarcelles freistellen lassen, um ihre Kampagne zu organisieren. Auf Gutachten zur Entlastung der Gendarmen antwortet sie mit Gegenexpertisen, gegen Politiker und Medien, welche die Traoré-Großfamilie als Clan von Kriminellen diskreditieren möchten, weil derzeit mehrere ihrer Brüder im Gefängnis sitzen, reagiert sie mit Verleumdungsklagen.

Dank der weltweiten antirassistischen Bewegung nach dem Tod von George Floyd in Minnea­polis steht sie derzeit im Brennpunkt der Medien. Wie ihre MitstreiterInnen des „Komitee Adama“ war sie überrascht, als sich am 2. Juni aufgrund eines Aufrufs in den sozialen Netzwerken mehr als 20.000 Leute vor dem Hochhaus des neuen Justizpalastes an nordwestlichen Stadtrand von Paris an der Porte de Clichy einfanden, um gleichermaßen „George Floyd – Black Lives matter!“ und „Adama – Justice!“ zu rufen. Die Demonstration war nicht bewilligt, doch die Zahl der Anwesenden zwang die Behörden, sie zunächst zu tolerieren, bevor dann am Ende zur Auflösung der Kundgebung doch massiv Tränengas eingesetzt wurde.

Traoré stand als Organisatorin im Mittelpunkt. Mit einem bunten Turban auf ihrem Kopf durchschritt sie die Menge, die in dieser Frau bereits ihre Wortführerin erkennt. In den vier Jahren ihres Engagements hat diese charismatische Frau viel hinzugelernt, sie versteht es, mit ihren Reden die Leute zu mobilisieren.

Das schwarze T-Shirt mit der weißen Aufschrift „Gerechtigkeit für Adama – Ohne Gerechtigkeit werdet ihr niemals Frieden haben“ ist wie ein Uniform im Krieg, den sie den Behörden erklärt hat, weil für diese das Leben eines Traoré nicht viel wert zu sein scheint, vermutlich jedenfalls nicht so viel wie das eines gutbürgerlichen Weißen. Mit Unterstützung von Nachbarn und Prominenten hat Traoré den „Fall Adama“ zu einem Exempel für den Kampf gegen Diskriminierungen und behördliche Übergriffe in Frankreich gemacht. Längst ist Assa Traoré eine Ikone, sie ist das Gesicht und die Stimme der benachteiligten Quartiere der Banlieue und deren wegen ihrer Hautfarbe diskriminierten BewohnerInnen.

Rudolf Balmer, Paris

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