piwik no script img

das portraitEthiker Christian Polke sucht Regeln

Was ist zu tun, wenn medizinische Ressourcen nicht ausreichen, um alle Bedürftigen auch zu behandeln? Dann muss jemand entscheiden, wie diese Ressourcen am besten investiert sind. In Italien, unter anderem, waren Ärzt*innen mit dieser „Triage“ – von „trier“, Französisch für „sortieren“, „aussuchen“ – schon konkret konfrontiert: Sie mussten für den einen und gegen den anderen votieren.

Man werde „in solchen Situationen nicht ohne Schuld bleiben“: Das hat Christian Polke jetzt dem Evangelischen Pressedienst gesagt. Polke ist Professor für Systematische Theologie an der Göttinger Universität und Inhaber des Lehrstuhls für Ethik, zu dessen Schwerpunkten zählt ausdrücklich „die Mitarbeit an medizin- und bioethischen Fragen“.

Polke sprach im Zusammenhang mit Covid-19 von einem „ethischen Dilemma“: Da ist, einerseits, das Prinzip – niemand dürfe allein aufgrund bestimmter Eigenschaften diskriminiert werden. „Generell muss gelten: Kein Leben ist mehr wert als ein anderes.“ Brisant ist das, weil etwa die entsprechenden Richtlinien in Italien das Alter von Patient*innen berücksichtigen: Die Frage aber, wie viel absehbare Lebenszeit jetzt Behandelten danach bleiben wird, führt immer zu einem Vorrang für Jüngere.

In Ausnahmesituationen, das sagte auch der 1980 in München geborene Polke, lasse sich so ein Grundsatz „nicht vollumfänglich umsetzen“. Die Ende März von mehreren medizinischen Fachgesellschaften formulierten Orientierungshilfen könnten aber helfen, willkürlichen Entscheidungen vorzubeugen.

Kirchliche Seelsorger*innen könnten derzeit nur eingeschränkt helfen, sagte Polke, der 2010 mit einer Arbeit zur weltanschaulichen Neutralität des Staates den „John F. Templeton Award for Theological Promise“ des Heidelberger Forschungszentrums Internationale und Interdisziplinäre Theologie gewann. Den Kirchen komme aber eine besondere Rolle zu: den Menschen beim Sterben beizustehen. „Ethisch gesehen ist ein würdiges Sterben ein Gebot der Humanität, für das wir uns nach Kräften einsetzen sollten.“ Alexander Diehl

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen