piwik no script img

das portraitDemokratie-Aktivist Alaa Abd el-Fattah sitzt wieder auf der Anklagebank

Er war beim Arabischen Frühling Ende 2010, Anfang 2011, einer der prominentesten ägyptischen Blogger und Jugendaktivisten, er war eine der Ikonen der Massenproteste auf dem Tahrir-Platz in Kairo. Damit war Alaa Abd el-Fattah von Anfang jemand, der im Ägyptenbild des ehemaligen Militärchefs und heutigen Präsidenten al-Sisi störend wirkte. Einer, der mundtot gemacht werden musste. Jemand, den das Regime einfach nicht mehr aufstehen lassen möchte.

Am Wochenende wurde der Demokratieaktivist festgenommen. Abd el-Fattah ist in eine Verhaftungswelle geraten, bei der nach Angaben von Menschenrechtsgruppen alleine seit der letzten Woche in Ägypten über 2.000 Menschen festgenommen wurden. Vor 14 Tagen war es erstmals zu kleineren Protesten gekommen. Bei diesen wurde zum Sturz al-Sisis aufgerufen. Der Software-Ingenieur Abd el-Fattah wird nun angeklagt, Falschinformationen verbreitet und Menschen zu Protesten aufgerufen zu haben.

Abd el-Fattah war einer der Wortführer des Aufstandes 2011, bei dem der langjährige Präsident Husni Mubarak abgesetzt worden war. Als er drei Jahre später ins Gefängnis kam, war das für viele Experten und auch in der Bevölkerung ein sicheres Anzeichen dafür, dass Ägypten unter Staatschef al-Sisi wieder in die Autokratie abrutschte.

Abd el-Fattahs Geschichte vor allem der letzten sechs Jahre ist symptomatisch dafür, wie das ägyptische Regime nicht nur mit Islamisten umgeht, sondern auch mit liberalen und linken Säkularisten und überhaupt jeglichem Dissens. Denn der 37-Jährige hatte gerade erst eine fünfjährige Haftstrafe für „illegales Demonstrieren“ abgesessen. Vor sechs Monaten war er freigekommen.

Allerdings musste er sich als Auflage des Gerichts seit seiner Freilassung jeden Abend um 18 Uhr bei einer Polizeiwache melden und dort zwölf Stunden lang jede Nacht verbringen. Eine Auflage, die fünf Jahre lang in Kraft sein sollte.

Es ist inzwischen üblich, dass ägyptische Gerichte derartige Auflagen verhängen, um sicherzustellen, dass Freigelassene nicht wieder in der Öffentlichkeit politisch aktiv werden. Als Abd el-Fattahs Familie ihn vergangenen Sonntagmorgen von der Polizeistation abholen wollte, war er bereits zur Staatsanwaltschaft gebracht worden, die die neue Anklage gegen ihn vorbereitete. Am Montag wurde dann auch noch Muhammad al-Bakir, einer der Anwälte, die Abd el-Fattah repräsentieren, unter der gleichen Anklage wie sein Mandant verhaftet: Er wurde mitgenommen, als er darauf wartete, dass Abd el-Fatah zur Befragung vorgeführt wird.

„‚Die Schnauze voll haben‘ reicht als Beschreibung nicht aus“, erklärte Abd el-Fattahs Tante, die bekannte ägyptisch-britische Schriftstellerin Ahdaf Sueif. „Er hat gerade versucht, sein Leben wieder aufzubauen, das sie komplett zerstört hatten, sei es in der Arbeit, sein Privatleben oder seine Rolle als Vater eines kleinen Sohnes.“ Karim El-Gawhary

meinung + diskussion

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen