piwik no script img

das portraitAlessandro Sandrini ist aus Syrien befreit. Nun droht ihm Hausarrest in Italien

Foto: afp

Das Video zeigt ihn kniend, in den gleichen orangefarbenen Overall gekleidet, den auch die Terrormiliz „Islamischer Staat“ ihren Opfern aufzwang. Hinter ihm zwei schwer bewaffnete Männer, vermummt. „Bitte helfen Sie mir, ich bin müde“, sagt Alessandro Sandrini in die Kamera, „sie werden mich töten.“ Wer „sie“ sind, die den Italiener entführten und das Video im vergangenen Jahr veröffentlichten, ist bis heute unklar.

Sicher aber ist: Der mittlerweile 34-jährige Mann aus der Lombardei, der offenbar im Oktober 2016 in der Südtürkei entführt und anschließend in Syrien festgehalten wurde, ist wieder frei.

Bevor er Syrien am Mittwoch verlassen konnte und die Grenze in die Türkei überqueren durfte, berief die selbsternannte „Heilsregierung“ – eine Gegenregierung in Nordsyrien, die als politischer Arm der im Großraum Idlib herrschenden Dschihadisten-Miliz Hai'at Tahrir al-Scham (HTS) gilt – eine Pressekonferenz ein. „Wir haben Informationen erhalten, dass eine Gruppe, die Entführungen durchführt, im Besitz eines ausländischen Mannes ist“, sagte der „Innenminister“ der Gegenregierung, Ahmed Latuf, während Sandrini mit gefalteten Händen neben ihm an einem Tisch saß. Sofort hätte man sich bemüht, den Mann an Italien zu übergeben.

Auch Sandrini kam zu Wort, nannte aber auch keine Details zu seinen Entführern: „Ich hatte den Weg zum Hotel verloren und lief durch die Straßen von Adana“, erzählte er. „Ich fühlte, wie mir jemand etwas ins Gesicht drückte. Ich fühlte mich unter Drogen und schlief ein“, erinnerte er sich. „Ich wachte auf in einem Zimmer mit zwei bewaffneten Männern mit Kapuzen.“ Ob Sandrini die Aussagen freiwillig traf oder zu dem Auftritt gezwungen wurde, um der HTS-Miliz positive Schlagzeilen zu verschaffen, ist unklar.

Die italienische Regierung bestätigte die Freilassung. Sandrini sei „infolge einer koordinierten Aktion vom italienischen Geheimdienst, der Kriminalpolizei und der Krisenabteilung des Außenministeriums“ befreit worden, verkündete Regierungschef Giuseppe Conte am Mittwoch. „Es ist das Ende eines Albtraums“, sagte sein Vater Gianfranco Sandrini gegenüber italienischen Medien.

Nach dem Verschwinden seines Sohns 2016 hatte die Familie ein Jahr lang nichts von ihm gehört. Dann irgendwann meldete er sich per Telefon. „Hallo Mama, ich weiß nicht, wo ich bin, sie haben mich entführt. Bitte hilf mir“, soll er gesagt haben. In einem späteren Anruf habe er Lösegeldforderungen überbracht, bevor er im vergangenen Jahr schließlich im orangefarbenen Overall in dem Video auftauchte.

Medienberichten zufolge ist Sandrini nach seiner Rückkehr am Donnerstag in seiner Heimatstadt Brescia unter Hausarrest gestellt worden. Der Grund: Gegen Sandrini sollen in Italien vor seinem Verschwinden zwei Haftbefehle vorgelegen haben. Es geht unter anderem um Raub und Diebstahl. Unter anderem soll er versucht haben gestohlene Waren zu ver­kaufen. Jannis Hagmann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen