das portrait: Wahlsieger Dennis Tamaki wird in Japan zum Symbol ethnischer Debatten
Die Wähler von Okinawa haben einen ungewöhnlichen Politiker zu ihrem neuen Gouverneur erkoren: Denny Tamaki hat einen US-Soldaten als Vater, aber kämpft für den Abzug einer US-Militärbasis aus Okinawa. Aus dem Widerspruch formte der linksliberale Politiker sogar seine Wahlkampfstrategie. Wegen seiner Abstammung habe er bei dem Militärstützpunkt eine bessere Verhandlungsposition“, argumentierte der 58-Jährige. „Es ist unmöglich, dass die Demokratie der Heimat meines Vaters mich zurückweisen wird“, erklärte er. „Nur Denny kann das!“
Wie sein Vorgänger Takeshi Onaga, der kurz vor der Wahl an Krebs starb, verlangt Tamaki, dass der US-Truppenstützpunkt Futenma in der Stadt Ginowan die Insel Okinawa komplett verlässt. Die Regierung in Tokio hatte mit den USA vereinbart, dass der Stützpunkt der US-Marineinfanterie, der mitten in einem Wohngebiet liegt, bis 2023 in das weniger dicht besiedelte Küstengebiet Henoko umzieht. Der vorherige Gouverneur hatte jedoch kurz vor seinem Tod die Bauarbeiten für eine neue Start- und Landebahn in Henoko gestoppt.
Tamakis Wahlsieg erhält durch die aktuelle Debatte über „gemischte“ Japaner eine besondere Note. Seit zwei Wochen feiern Medien den Sieg der Tennisspielerin Naomi Osaka, die einen US-Amerikaner mit Wurzeln in Haiti als Vater und eine japanische Mutter hat, beim Grand Slam in New York als einen japanischen Triumph. Dabei war ihre Mutter in die USA emigriert, weil sie von ihrer eigenen Familie wegen des farbigen Kindsvaters verstoßen wurde.
Auch der neue Gouverneur von Okinawa kann von solcher Diskriminierung ein Liedchen singen. Als Kind wurde er wegen seiner rötlichen Haare häufig gemobbt. Sein Vater war noch vor der Geburt von Tamaki in die USA zurückgekehrt, sodass er ihn nie kennenlernte. Dennoch mochte er US-Popkultur, spielte in einer Rockband, war Radiomoderator und zog vor 9 Jahren als erster „Amerasian“ für die liberale Demokratische Partei ins Parlament in Tokio ein. Bis heute wird er angefeindet: „Du bist nur ein unvollständiger halber Japaner“, wurde er kürzlich auf Twitter beschimpft.
In Okinawa gibt es zwar wegen der dort stationierten 30.000 US-Soldaten mehr solcher „gemischter“ Japaner als anderswo im Land, aber die Amerikaner benahmen sich lange als Besatzer – die Insel stand bis 1972 unter US-Verwaltung. Die Bevölkerung profitiert wirtschaftlich von den Marineinfanteristen, aber reagiert empfindlich auf Vergewaltigungen und Verkehrsunfälle durch US-Soldaten.
Der Triumph von Tamaki gilt auch als Rückschlag für den rechtskonservativen Premierminister Shinzo Abe, der auf gute Beziehungen zu den USA setzt. Deswegen hatten die Regierungsparteien ihr ganzes Gewicht hinter ihren Kandidaten Atsushi Sakima geworfen. Doch Tamaki wurde von einer breiten „All Okinawa“-Koalition unterstützt und errang die Rekordzahl von fast 400.000 Stimmen. Dennoch reagierte das Verteidigungsministerium in Tokio kühl: Man halte an dem Umzugsplan fest.
Martin Fritz, Tokio
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