das portrait: Mit dem Finanzkonzern Wirecard mischt Markus Braunden DAX auf
Für den Deutschen Aktienhandel ist es ein historisches Ereignis: Wirecard verdrängt das DAX-Gründungsmitglied Commerzbank aus dem Leitindex. In Finanzkreisen schon länger als Börsenstar bekannt, ist das Unternehmen vielen Menschen noch gar kein Begriff – obwohl seine Dienste massenhaft genutzt werden. Was steckt hinter der Firma, und wer? Es handelt sich um einen Finanzdienstleister, der sich auf den Zahlungsverkehr im Internet spezialisiert hat. Die Wirecard-Zentrale befindet sich in Aschheim bei München, und an der Spitze sitzt der Österreicher Markus Braun als Aufsichtsratsvorsitzender.
Braun, 48 Jahre alt, Sohn einer Gymnasiallehrerin und eines Volkshochschuldirektors, hat den Laden maßgeblich mit aufgebaut. Nach dem Studium der Wirtschaftsinformatik promovierte er, dann durchlief er ein paar Zwischenstationen im Feld der Unternehmensberatung. Vor rund 16 Jahren, drei Jahre nach der Wirecard-Gründung, kam Braun von der Beraterfirma KPMG zu dem noch jungen Tech-Unternehmen und übernahm sogleich den Vorstandsvorsitz. Mit einem Aktienpaket von sieben Prozent ist er der größte Anteilseigner.
Sein Führungsstil gilt als unaufgeregt, und er wahrt gern Distanz zur Öffentlichkeit. Der Mann mit dem schütteren Haar sei so gar nicht „einschüchternd“, merkte das Manager Magazin einmal an. Tatsächlich gibt Braun nur selten Interviews. In der Branchen kursieren gar Gerüchte, er sei ein typischer IT-Nerd und habe überhaupt kein Privatleben. Doch das stimmt nicht so ganz: Der 48-Jährige ist ein verheirateter Familienvater, schätzt nach eigener Aussage klassische Musik, geht gern in die Oper und spielt in seiner Freizeit Geige.
„Ich habe kein Interesse an persönlicher Berühmtheit“, sagt Braun und behauptet sogar, durchaus etwas kokett, langweilig zu sein. Auf Fachkonferenzen redet er sich jedoch ganz gern auch mal in Fahrt, etwa, wenn er seine ehrgeizigen Expansionspläne erläutert: „Ziel des Vorstands ist es, kraftvoll organisch die Welt zu erobern“, verkündete er beispielsweise im Frühjahr, nur wenige Monate, bevor Wirecard nun den alten großen Tanker Commerzbank aus dem DAX schubste.
Die zurückhaltende Art des Chefs passt gut zum Wesen des Unternehmens. Denn Wirecard agiert im Hintergrund, wickelt im Stillen digitalen Zahlungsverkehr ab – und bedient damit einen riesigen Zukunftsmarkt. Kritische Meldungen, nach denen Wirecard in der Anfangszeit mit der Porno- und der Glücksspielbranche zusammenarbeitete, bestreitet Braun nicht – Vorwürfe der Bilanzmanipulationen dagegen schon. Derweil sprechen der DAX-Aufstieg und die Zahlen für sich: Im ersten Halbjahr 2018 wurden Zahlungen in Höhe von gut 56 Milliarden Euro über die Wirecard-Plattform abgewickelt. Der Aktienkurs hat sich seit Jahresbeginn mehr als verdoppelt und der aktuelle Börsenwert von über 20 Milliarden Euro stellt sogar die Deutsche Bank in den Schatten. Brauns Wunsch, mit seinen Geschäften möglichst unsichtbar zu bleiben, wird wohl nicht in Erfüllung gehen. Andrew Müller
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