corona in hamburg: „Es gibt noch nicht alles digital“
Einen Virtual Walk-In bietet die Staats- und Universitätsbibliothek während der Covid-19-Pandemie an. Jede*r mit einem Bibliotheksausweis kann Digitalisiertes von zu Hause aus herunterladen
Interview Pascal Patrick Pfaff
taz: Herr Zepf, das Semester beginnt digital. Was bedeutet das für Studierende und Lehrende?
Robert Zepf: Eine große Umstellung. Die Digitalisierung ist in den unterschiedlichen Fachkulturen verschieden weit fortgeschritten. In den Geistes- und Sozialwissenschaften gibt es viel Literatur, die es bisher nur gedruckt gibt. In diesen Fächern ist die Umstellung auf eine rein digitale Lehre eine besondere Herausforderung.
Stichwort Lehrbücher: Wie sieht es mit einem 1.000-Seiten-Werk wie „Die feinen Unterschiede“ von Bourdieu aus?
Es gibt vieles, aber noch nicht alles digital. Wir haben im Urheberrecht eine wichtige Unterscheidung: Einzelne Aufsätze und Kapitel von Büchern können wir digital zur Verfügung stellen. Ganze Bücher noch nicht. Da sind wir auf ein entsprechendes Angebot des Verlags angewiesen. Vergriffene Bücher digitalisieren wir für die Lehrveranstaltungen. Und das machen unsere Kolleg*innen jetzt gerade.
Hat damit der Virtual Walk-In etwas zu tun? Was ist das genau?
Das ist eine Besonderheit. Im Moment ist unser Haus für den Besucherverkehr geschlossen, um die Pandemie einzudämmen. Die Leser können die Dateien also hier nicht runterladen. Deswegen haben wir mit Zustimmung der Verlage einen Virtual Walk-In geschaffen: Alle Bürger*innen mit einem Bibliotheksausweis können sich die Dinge von zu Hause aus runterladen.
Welche Sofortmaßnahmen gibt es noch, um Literatur zu bekommen?
Robert Zepf, 51, ist Professor und seit September 2019 Direktor der Staats- und Universitätsbibliothek.
Wir haben eine Hotline geschaltet. Bei schwierigen Fällen können unsere Kolleg*innen helfen, die richtige Literatur zu finden. Dann gibt es den digitalen Semesterapparat. Alle Studierenden eines Kurses haben dabei Zugriff auf eine geschützte Website. Dort ist die Literatur in digitaler Form hinterlegt, die von den Dozenten zur Verfügung gestellt wurde. Um diese ganzen Maßnahmen umzusetzen, sind wir aber darauf angewiesen, dass die Bürgerschaft am Mittwoch den Rettungsschirm beschließt.
Die Stabi stellt bereits länger digitale Bestände zur Verfügung. Haben Sie daraus für die gegenwärtige Situation lernen können?
In der Regel wird wissenschaftliche Literatur von englischsprachigen Verlagen lizenziert. Man muss dafür einen 30-seitigen, englischsprachigen Vertrag durchlesen; da ist es wichtig, genau die Paragrafen zu kennen, auf die man achten muss. Diese Fachkenntnis haben meine Kolleg*innen über 20 Jahre aufgebaut.
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