bundestag und nato: Demokratie ist eben so
Außenminister Joschka Fischer hat gestern davor gewarnt, dem Parlament ein zu großes Mitspracherecht in der Außen-und Sicherheitspolitik einzuräumen, weil der Spielraum der Bundesregierung damit eingeengt würde. Da hat der grüne Spitzenpolitiker zweifellos Recht, und seine Einschätzung gilt auch für andere Bereiche. Demokratie hat das so an sich. Es ist ihr Definitionsmerkmal, den Spielraum von Regierungen einzuengen. Den jeweils Mächtigen missfällt das häufig, aber nur selten geben sie es so freimütig zu wie Joschka Fischer. Dem gebührt dafür Dank. Da weiß man doch bei Wahlen wenigstens, woran man ist.
Kommentarvon BETTINA GAUS
Anlass für die Äußerung des Außenministers war eine Organklage der PDS-Bundestagsfraktion beim Bundesverfassungsgericht. Diese vertritt die Auffassung, die Bundesregierung habe mit ihrer Zustimmung zum neuen Konzept der Nato ohne vorherige Befragung des Parlaments gegen das Grundgesetz verstoßen. Die Regierung sieht hingegen in der neuen Strategie nur eine – nicht zustimmungspflichtige – Weiterentwicklung des 1949 geschlossenen Nordatlantikvertrages. Das ist nun allerdings ungerecht. Nato und Bundeswehr haben einen Anspruch darauf, vor derartigen Deutungen ihrer Vergangenheit in Schutz genommen zu werden.
Beiden ließ sich in der Ära des Kalten Krieges bestimmt manches vorwerfen, aber so aggressiv war ihr Konzept damals denn doch nicht, wie das von den heute Herrschenden behauptet wird. Immerhin bestand ihr Auftrag fünf Jahrzehnte lang ausschließlich in der territorialen Verteidigung des Bündnisgebietes. Worin er heute besteht, lässt sich so genau nicht mehr definieren, aber jedenfalls geht er darüber hinaus: Die Nato hat sich 1999 für weltweite Einsätze ohne UN-Mandat selbst legitimiert. Wer das lediglich zu einer „Weiterentwicklung“ des alten Konzepts erklärt, gibt noch nachträglich Gegnern der deutschen Wiederbewaffnung Recht, die an eine ausschließlich auf Verteidigung ausgerichtete Parlamentsarmee niemals glauben wollten.
Der Bundestag selbst sieht seine Rechte übrigens nicht verletzt. Sein Vertreter in Karlsruhe, der CDU-Politiker Rupert Scholz, begründet das damit, dass bis auf die PDS ohnehin alle Fraktionen mit dem neuen Nato-Konzept einverstanden gewesen seien. Wenn das ein Grund ist, auf förmliche Abstimmungen zu verzichten, dann sollte das Parlament angesichts der Entwicklung hin zur Konsensdemokratie demnächst seine Selbstauflösung beschließen.
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