blank gezogen: Hamburger Kulturbegriff
Ein Fernsehmoderator hat die Tanzeinlage gefilmt und auf Facebook gepostet. „Super Stimmung“, schrieb er dazu. „Ich hoffe, es gibt keine Sexismus-Debatte“. Gefilmt hat er die Hamburger Burlesque-Gruppe „The Sinderellas“, die mit Engelsflügeln, aber ohne Oberbekleidung mittelanmutig ihr Becken kreisen ließen – auf dem Fest der Hamburger Landesvertretung in Berlin. Man kann den Mann beruhigen: Bislang gab es keine Seximus-Debatte. Nicht mal das.
Die Sinderellas sind laut Senatssprecher, dessen Arbeit auch nicht immer nur schön ist, neben „Shanty-Chor, Coverbands und Hip-Hop-Acts“ Teil der Hamburger Kultur. Ja, das sind sie wohl, neben Perlen wie der Neuen Flora. Das Frauenbild ist in etwa gleich weit entwickelt. Die Sinderellas lehren auch „sexy Choreographien“ für Interessierte, die damit „ihren Liebsten“ zu Hause überraschen können, der Link zum Strapshemd von Orion steht vorsorglich schon daneben.
Die Burlesque soll angeblich Teil der Hochkultur geworden sein, vermutlich jener desperaten, die demnächst Big Brother als subversives Format ins Repertoire aufnimmt. Man könnte die Sexismus-Debatte aufnehmen, und sei es nur, um die Erwartung des Fernsehfritzen zu erfüllen.
Man kann auch einfach feststellen, dass das Ganze die schlüssige Selbstdarstellung einer zurecht kleinmütigen Stadt ist: Mitten in Berlin, der ewigen ersten Stadt im Land, will man zeigen, dass man mehr und wilder ist als Hafenrundfahrt und Schlagermove zusammen. Die Rote Flora arbeitet noch nicht offiziell mit dem Stadtmarketing zusammen und der Kiez wird von Touristenbussen lahmgelegt. So bleibt Erotik der Preisklasse Butterfahrt und die, müssen die Organisatoren gedacht haben – die Politik wäscht ihre Hände in Unschuld –, geht immer. Friederike Gräff
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