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berlinmusikBlue Notes verkehrt

Hier stimmt etwas nicht. Klingt alles reichlich schief, das Klavier, das vermutlich obendrein ein elektronisches ist, erzeugt Töne, die da gar nicht auf den Tasten vorkommen dürften. Ist das Instrument womöglich kaputt, einfach nicht oft genug gewartet worden?

Ohne Vorwarnung könnte man sich bei Gebhard Ullmanns neuem Album „Mikropuls“ tatsächlich wundern, ob da alles mit rechten Dingen zugeht. Doch der in Berlin lebende Saxofonist weiß ziemlich genau, was er tut. Und auch der Pianist Hans Lüdemann, der Teil von Ullmanns Projekt PULS ist, hat sich die Töne vorher genau ausgesucht.

Mit PULS, das nach den Anfangsbuchstaben der Nachnamen der Beteiligten benannt ist – neben Ullmann und Lüdemann wären das der Bassist Oliver Potratz und der Schlagzeuger Eric Schaefer – hat sich Ullmann auf das Gebiet der Mikrotonalität begeben, was das „Mikro“ im Plattentitel erklärt. Er nimmt sich dabei die Vierteltöne vor, die Töne mithin, die auf halber Strecke zwischen zwei „normalen“ Halbtönen liegen.

Für den Bass und auch für ein Saxofon bedeuten solche Töne keine großen physikalischen Hindernisse, man muss bloß beim Spielen ein bisschen anders greifen. Für Tasteninstrumente heißt so eine mikrotonale Stimmung entweder: vorher alle Saiten umstimmen und dann hoffen, dass die Spieler die richtigen Tasten für die Töne finden, oder sich ein elektronisches Instrument besorgen, bei dem die Stimmung umprogrammiert werden kann. Letzteres war für „Mikropuls“ das Mittel der Wahl.

Dieser schräge Ansatz hat weniger mit abstrakt-akademischen Spielereien eines versuchsfreudigen Abenteurers zu tun als mit einer Rückbesinnung auf die Anfänge des Jazz im Blues.

Und der kennt mit den „Blue Notes“ ähnlich schiefe Töne. Ullmann hat mit seinen Vierteltönen die Blue Notes einfach erweitert, um deren Möglichkeiten zu erkunden.

Auf herkömmliche Harmonien verzichtet er dabei nicht vollständig, auch seine Melodien sind eher als Erweiterungen des Gestenreper­toires im Jazz zu verstehen als ein rabiater Neuanfang. Ungewohnt klingt die Sache gleichwohl. Und vertraut. Und nach freundlicher Ohrenspülung. Die möchte man sich hinterher ein wenig reiben. Dabei sind sie ja schon frei. Tim Caspar Boehme

Gebhard Ullmann: „Mikropuls“ (Intuition/in-Akustik)

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