berliner sparhaushalt: Quatschen, bis es quietscht
Es hätte der große Showdown werden sollen. Nach dreitägiger Klausur wollte der Berliner Senat gestern bekannt geben, wie er sich den Weg aus dem hauptstädtischen Finanzdesaster vorstellt. Das Publikum in der Stadt und in der Republik hatte sich auf den großen Knall schon eingestellt – auf Theaterschließungen, Gehaltskürzungen oder andere Signale, dass es mit dem alten Berliner Schlendrian vorbei ist.
Kommentar von RALPH BOLLMANN
Nichts davon geschah. Die Beschlüsse der roten Koalition aus SPD und PDS signalisieren Kontinuität: Bloß niemanden wehtun, heißt weiter die Parole. Nicht einmal die katastrophale Bankenkrise hat sich als heilsamer Schock ausgewirkt – im Gegenteil. Die Akzeptanz für Sparmaßnahmen ist durch das milliardenschwere Desaster beim landeseigenen Kreditinstitut weiter geschwunden. Man sei nicht bereit, „für Landowsky“ zu bluten – so tönt es allerorten in Anspielung auf die Zentralfigur der Bankaffäre. Und: Die SPD, die in der großen Koalition stets gegen den mangelnden Sparwillen ihres Partners CDU opponiert hatte, stellt jetzt selbst den Regierenden Bürgermeister. Der Neigung zu schmerzhaften Eingriffen hat das nicht gut getan.
Entstanden ist auf diese Weise ein Haushalt, der es an Realismus genauso fehlen lässt wie in all den Jahren der großen Koalition. So sieht es nur auf den ersten Blick sehr mutig aus, bei der Sozialhilfe 250 Millionen Euro einzusparen. Weil der Anspruch auf Stütze aber durch Bundesgesetz geregelt ist, wird dieser Betrag nie und nimmer hereinkommen. Und die Arbeitsplätze, die der Senat den Anspruchsberechtigten vermitteln will, sind in Berlin weit und breit nicht in Sicht. Vor allem aber wurde das Sparziel insgesamt um 370 Millionen Euro verfehlt. Die Ausrede des Finanzsenators, im Jahr 2004 müsse halt „umso mehr gespart werden“, klingt da reichlich albern: Als ob die Lage bis dahin besser wäre!
Trotzdem verkündet SPD-Bürgermeister Klaus Wowereit, viele Berliner würden von den Sparmaßnahmen „hart getroffen“ – und bleibt damit auf der Linie seines inzwischen geflügelten Wortes, die Stadt müsse sparen, „bis sie quietscht“. Doch die harsche Rhetorik richtet sich weniger an die Berliner als an einen anderen Adressaten: an die Karlsruher Verfassungsrichter, die in absehbarer Zukunft über eine Berliner Klage auf Bundeshilfe entscheiden müssen. Sie sollen vom Ernst des hauptstädtischen Sparbemühens überzeugt werden. Mit diesem Haushalt aber wird der Berliner Senat das Ziel nicht erreichen.
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