piwik no script img

■ berlin spinntOstseebezirk Köpenick

Auf ihren Hauptmann von Köpenick sind die Südostberliner besonders stolz. Dem kleinen Mann, der vor 93 Jahren mit einem billigen Kostümtrick die Obrigkeit übers Ohr hauen konnte, wurde ein Denkmal gesetzt – direkt vor dem Köpenicker Rathaus, der Geist des gewieften Schusters ist also immer noch präsent. Jetzt haben ihm Köpenicker Kommunalpolitiker in gewisser Hinsicht nachgeeifert und durch freche Selbstdarstellung ebenfalls einen Coup gelandet. Sie zogen einige Fördermittel der Europäischen Union an Land. Nicht irgendwelche, sondern die für „Sporthäfen im Ostseeraum“.

Das mag Leute, die in Heimatkunde einigermaßen aufgepaßt haben, nun verwundern. Immerhin liegt Köpenick noch viel weiter von der Ostsee entfernt als Brüssel von der Nordsee. Aber das ist nicht die Frage, findet Eckhard Braun, der Chef des Köpenicker Wirtschaftsamtes. Für ihn ist entscheidend, daß Köpenick mit dem Meer verbunden ist. Was so unstrittig ist wie beim Sudan, von wo aus bekanntlich der Nil seinen Weg ins Mittelmeer nimmt. Im Fall von Köpenick, Berlins wasserreichstem Bezirk mit einigen durchfließenden Flüssen und etlichen Seen, mündet eben alles in der Ostssee. Auch die Logik.

Der Realisierung ihres Wunschprojektes – ein Yachthafen gegenüber dem Rathaus – sind die Köpenicker somit ein Stück nähergekommen, denn die Eurokraten haben die kühne Standortbestimmung akzeptiert und die nötigen Gelder für eine Planungsstelle bewilligt. Wieviel genau, verraten die Antragsteller übrigens nicht. Vielleicht aus Sorge über aufkommende Neidgefühle?! Sollte die moderne Köpenickiade zu einem glücklichen Ende führen, wird der Bezirk bald über vier große Bootsstege mit siebzig Liegeplätzen verfügen. Und, so sich Investoren finden, über eine neue Hafenmeisterei sowie ein Hotel.

Die ganze Übung hat vor allem ein Ziel: mehr Touristen in die schöne Altstadt zu locken. Denn die drei Miliionen jährlich auf Berliner und Brandenburger Gewässern schippernden Wassersportfreunde sähe man gern als Besucher im historischen Ortskern. Aber leider, so mußten die Fremdenverkehrler bisher beobachten, „schwimmt die Kaufkraft an Köpenick vorbei“. Damit sie künftig dort ankert, wurde das Projekt „Stadthafen“ ersonnen und kann dank der EU-Zuschüsse nunmehr zur Ausschreibung kommen.

Da Köpenick jetzt offiziell als Ostseeanrainer bekannt ist, könnte man ja als nächstes Fördermittel des Landes Mecklenburg- Vorpommern beantragen. Schließlich sind Berlin und Rostock in der Tourismuspraxis schon hundertprozentig zusammmengewachsen. Ein Blick in die Kataloge der internationalen Kreuzschiffahrt verrät, daß dort Berlin quasi längst zum Küstenstreifen gehört. Wenn die Luxusdampfer in Rostock anlegen, zählt ein kurzer Berlin-Landgang zum festen Programm. Was insbesondere schon manchen Übersee- Touristen im Glauben bestätigte, daß die deutsche Hauptstadt an der Ostssee liegt. Die Köpenicker Stadtväter dürfte das am wenigsten stören. Noch besser fänden sie es wohl, wenn in Rostock gleich auf den Stadtbummel in ihrer Altstadt hingewiesen würde. Die Anreise darf dann auch gern mit dem Bus stattfinden. Gunnar Leue

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen