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beiseiteJüdischer Stadtführer

en vogue

Bücher über das jüdische Leben in Berlin befassen sich naturgemäß hauptsächlich mit Toten. Da ist Bill Rebigers Stadtführer keine Ausnahme. Auch seine Wege führen über Friedhöfe, vorbei an Mahnmalen und Gebäuden, die schon lange nicht mehr existieren.

Aber: Ein wachsendes Interesse an „Geschichte, Tradition und Kultur“ in Berlin habe er festgestellt, schreibt der Judaist Rebiger im Vorwort. Deshalb wollte er einen aktuellen Stadtführer durch das jüdische Berlin von heute schreiben. Also geht es auch direkt in die Gegenwart. Das Buch gibt einen detaillierten Überblick über Institutionen der jüdischen Gemeinde. Erklärt Feiertage und Religionsgesetze.

Es gibt wieder ein jüdisches Leben in Berlin, konstatiert dieser Reiseführer und bringt seine Leser auch dorthin, wo dies augenscheinlich am sichtbarsten ist. In die Gegend um die Oranienburger Straße herum bespielsweise, wo im Schatten der ehemaligen Synagoge ein paar Restaurants mit hebräischen Namen eröffnet haben. Von dort kann man dann zu Klezmer-Konzerten in die Hackeschen Höfe gehen, die ja auch sehr en vogue sind als Ausdruck dieses wieder entstandenen jüdischen Lebens. Wobei Rebiger allerdings ignoriert, dass es selten Juden sind, die sich hier ins jüdische Leben stürzen. Dass sich in Berlin vielerorts ein jüdisches Leben ohne Juden etabliert hat – als Modeerscheinung und wohl auch als Ausdruck einer Sehnsucht nach Normalität. Ein paar Gedanken darüber hätten dem Buch ganz gut getan. Aber Stadtführer Rebiger entgeht dieses Phänomen. Tatsächliches oder touristisches jüdisches Leben – bei ihm ist alles eins.

Zu den jüdischen Restaurants zählt er zum Beispiel auch „Salomon Bagels“, deren Betreiber eher eine diffuse New-Age-Philosophie verbreiten, aber nichts genuin Jüdisches. Gute Bagels allein machen eben noch kein jüdisches Restaurant. Dazu gehört nämlich mindestens ein so genannter Mashgiach, der die Einhaltung der jüdischen Speisegesetze überwacht.

Man könnte jetzt noch das ein oder andere Beispiel hinzufügen. Und es bleibt auch ein Rest Unbehagen, wenn man bei Rebiger plötzlich eine Aufstellung liest, die mit „jüdische Geschäfte“ überschrieben ist. ESTHER SLEVOGT

Bill Rebiger: „Das jüdische Berlin“. Jaron Verlag, Berlin 2000. 214 Seiten, 19,80 DM

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