barbara dribbusch über Gerüchte: Laptop und Geschmacksverstärker
Die Frauenbewegung hat ihr Verhältnis zum Fertiggericht noch immer nicht geklärt. Ich hingegen schon
Das Gastronomische und die Geschlechterfrage – zwischen beidem herrschte schon immer eine geheimnisvolle Verbindung. Ich darf nur an den Glaubenssatz meiner Großtante Zilly erinnern, die mir mehr als einmal sagte: „Liebe geht durch den Magen. Männer wünschen sich Frauen, die gut kochen können.“
Frauen tun bekanntlich gut daran, die Glaubenssätze, mit denen sie als Mädchen zugemüllt wurden, später zu überprüfen. So auch ich. In der Studentenzeit entwickelte ich den „Miracoli-Test“: Wenn mich einer meiner männlichen Bekannten zum dinner for two aufsuchte, bekam er mangels Kochkenntnissen Spaghetti Miracoli mit der Original-Würzmischung vorgesetzt.
Der Erfolg war durchschlagend: Bei E. löste ich einen Beschützerinstinkt aus, er versorgte mich daraufhin regelmäßig mit ausgesuchter Nahrung aus der Feinkostabteilung des KaDeWe und zeigte sich besorgt um mein Wohlergehen, was ich genoss.
F. wiederum grinste freundlich und sagte, er habe sich sowieso immer eine Frau gewünscht, die nicht zu Hause mit vorwurfsvollem Blick und aufwändigem Menü auf ihn warte, wenn er mal zu spät komme.
P. war ebenfalls froh über meine Miracoli-Offerte, denn er wolle abnehmen.
Ich hatte also gute Erfahrungen gemacht mit gastronomischen Fertigprodukten und den Glaubensatz meiner Großtante Zilly wirksam dekonstruiert – bis ich in einen neuen Gewissenskonflikt geriet.
Jahrelang war meiner Freundin Britt nichts aufgefallen, wenn sie mit ihrer Familie zu uns zum Essen kam. Britt gehört zu den Ökofanatikern, die niemals im Leben eine Büchse „Maggi gekörnte Brühe“ öffnen würden, obwohl dort so leckere Dinge drin enthalten sind wie Karamell und Maltodextrin. Britt schwört stattdessen auf „Würzl“ aus dem Bioladen. Also kippte ich nur heimlich hie und da ein bisschen Maggi ins Geschnetzelte, was dazu führte, dass ihre Kinder immer wieder begeistert bei uns zum Essen aufkreuzten.
Mit Britt war ich neulich zufällig gemeinsam einkaufen, bei MiniMal, und es kam, wie es kommen musste. Ich hatte das geschmacklich durchkomponierte Fertigprodukt „Rahmsoße für Fleischgerichte“ von Knorr unauffällig in den Einkaufswagen geladen. Die Soße wollte ich den Kindern nach der Schule mit den Blumenkohlplätzchen und Schupfnudeln von Eismann servieren.
Dabei dürfen die Kinder übrigens vorher immer noch wählen: „Wollt ihr die Vier-Käse-Soße, die Tomatensoße oder die helle Rahmbraten?“, das stärkt ihre Autonomie. Manchmal höre ich von den mitgebrachten Freundinnen meiner Tochter: „Ah, bitte die Rahmbratensoße, haben wir zu Hause auch immer!“ Fertigprodukte haben einen Wiedererkennungseffekt wie ein Hit im Radio, und das verbindet.
Doch Britt sah die Sache anders. Entschlossen griff sie in meinen Einkaufswagen, hielt die Rahmsoße hoch und las unangenehm laut die Liste mit den Inhaltsstoffen vor, als handele es sich um die Nebenwirkungen eines gefährlichen Medikaments: „Geschmacksverstärker … Mononatriumglutamat, Dinatriumguanylat … Dinatriuminosinat“ und schließlich „Farbstoff E 150c“, wobei sie die Stimme bedrohlich anhob. Ich kam mir vor wie eine Giftmischerin, dabei wollte ich den Kindern daheim nur ein schnelles Mittagessen bereiten, um rasch an mein Laptop zurückkehren zu können.
Doch jetzt steckte ich im Konflikt zwischen industriekritischem Bioverhalten einerseits und dem Befreiungsschlag der berufstätigen Mutter von der klassischen Hausfrauenrolle andererseits. Was tun?
Angriff ist die beste Verteidigung. „Fertigprodukte sind doch nichts als eine Arbeitserleichterung“, sage ich zu Britt, „jemand macht sich Gedanken über Geschmacksnerven, Optik, Zubereitungszeiten. Genau richtig für berufstätige Mütter.“ Gut in Erinnerung ist mir noch der Herr vom Bestellservice der Tiefkühlfirma Eismann. Im Tonfall zweier Manager hatten wir am Telefon über die Zusammenstellung von Mittagsmenüs aus der „Kartoffel-Gemüse-Pfanne“ und „Broccoli-Plätzchen“ gesprochen und dabei über Fett- und Vitamingehalt diskutiert.
Mein Eismann war so aufmerksam, dass ich ihm sogar die leichte Anzüglichkeit verzieh, als wir auf die Jogurtpizza Fresco zu sprechen kamen. „Die heißt bei uns auch Damenpizza“, sagte er, „denn Damen achten ja immer besonders auf den Fettgehalt.“ Aha.
„Ist doch nett, wenn man nicht immer alles selber machen muss“, sage ich zu Britt. Sie antwortet nicht. Unbehelligt schiebe ich die Fertigsoße auf das Band an der Supermarktkasse. Für heute habe ich gewonnen. Das Leben ist kein Zuckerschlecken. Da braucht die moderne Frau den Geschmacksverstärker. Keine Widerrede.
Fragen zu Gerüchten?kolumne@taz.de
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen