bannmeile: Republikmarketing im Bundestag-Shop
Bundesadler Schily
Das Ornament der Marken geht ganz im Glanz der vorweihnachtlichen Zeit auf: Im Vorgarten der russischen Botschaft steht ein Tannenbaum mit hell erleuchteten Kugeln, auf denen der Schriftzug eines Berliner Radiosenders prangt, und ein paar Meter weiter ist das Brandenburger Tor von der Telekom in einen überdimensionalen Adventskalender verwandelt worden. Unter den Linden wird es unübersehbar Weihnachten. Das stimmt versöhnlich, und so erzählt die Verkäuferin im Bundestag-Shop, der neben dem Brandenburger Tor hinter einer Marmorfassade versteckt ist, dass sie zwar allein mit ihrer Kollegin sieben Tage die Woche den Laden am Laufen halten muss, dass die Regale unpraktisch sind und es durch die beständig offene Tür zieht – dass sie aber trotzdem sehr froh sei, die Anstellung überhaupt bekommen zu haben: „Ich war lange arbeitslos.“
„Berlin ist nicht Weimar“, sagt ein Abgeordneter auf gleich zwei Fernsehbildschirmen, die im Bundestag-Shop angebracht sind und auf denen an diesem späten Freitagnachmittag die Debatte um das Verbot der NPD übertragen wird. Es ist eine Debatte, bei der es auch um das Vertrauen in „Berlin“ als politische Marke geht – und wenn der Bundestag für den Schutz der Marke verantwortlich ist, so liegt die Aufgabe des Bundestag-Shops in ihrer Verbreitung: Der kleine, etwas unaufgeräumte Laden ist die Marketingabteilung der Berliner Republik. Nur hier ist darum auch der Bundesadler als Label zur kommerziellen Nutzung freigegeben. Er schmückt Seidenkrawatten (59,90 Mark), ein schweres Zigarettenetui (29,99 Mark) und eine silberne Taschenflasche (ebenfalls 59,90). Für die „Dokumententasche im Herrenformat“ darf man 499 Mark anlegen, und wer sich zur Demomakratie und zum Markenprodukt „BRD“ mit einem eher symbolischen Geldbetrag bekennen möchte, kann Feuerzeuge, Kugelschreiber oder den obligatorischen Kaffeebecher erstehen. Umsonst gibt es nur das Grundgesetz, „Kürschners Volkshandbuch Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode“ und für die ausländischen Besucher ein kleines Bändchen mit dem Titel „Questions on German History“.
Das Problem mit dem Bundesadler ist allerdings, dass er als Logo bereits in den Bonner Jahren fest etabliert war und ihm deshalb eine gewisse altbundesrepublikanische Strenge anhaftet: Selbst als flauschiges Stofftier ähneln seine angestrengten Gesichtszüge noch denen von Innenminister Otto Schily. Der Shop hat darum das bekannte DDR-Ampelmännchen ins Angebot aufgenommen und es vom touristischen Souvenir zum repräsentativen Staatssymbol befördert. In Rot und Grün ist es als Schlüsselanhänger und Kühlschrankmagnet zu haben, als Nachttischlampe und Blumenvase. Dass der Geist der Demokratie nicht dem Grundgesetz, sondern dem Zeichensatz der Straßenverkehrsordnung entstammt, ist eine der beruhigenden unterschwelligen Botschaften, die der Bundestag-Shop für seine Kunden bereithält. Weihnachten kann kommen. Draußen hat derweil der Feierabendverkehr begonnen, und auf der Höhe der russischen Botschaft kommt es zu einem Auffahrunfall. Beide Fahrer steigen unversehrt aus ihren Autos und betrachten versonnen ihre Stoßstangen. KOLJA MENSING
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen