aus der traum: BANKENKRISE
Berliner Größenwahn
Um große Worte war der Banker nicht verlegen. „Wir wollen in der Bundesliga mitspielen“, tönte der frisch gebackene Vorstandschef Wolfgang Steinriede, kaum dass die Bankgesellschaft Berlin 1994 aus der Taufe gehoben war. Größe um jeden Preis – das war der politische Auftrag des mehrheitlich landeseigenen Konzerns, den der Berliner Senat aus einem bunten Konglomerat öffentlicher Banken von der Sparkasse bis zur Berliner Bank zusammengeschustert hatte. Ein politischer Auftrag, den CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky quasi sich selbst erteilte – schließlich zählte seine Hypothekenbank zu den Fusionspartnern.
Tatsächlich entwickelte sich das Geschäftsvolumen der beteiligten Banken in jenen Jahren prächtig. Vor allem bei der Immobilienfinanzierung stiegen die Manager ganz groß ein – schließlich lagen die scheinbar zukunftsträchtigen Wachstumsmärkte Nummer eins, Ostdeutschland und die neue Hauptstadt Berlin, direkt vor der Haustür.
Auch dort mischten die etablierten Branchenriesen allerdings kräftig mit. Der Berliner Neuling unter den großen deutschen Banken musste sich schon etwas einfallen lassen, um einen Fuß in die Tür zu bekommen. Bei den Krediten bedeutete das, auch Risiken einzugehen, die andere Geldhäuser abgelehnt hatten. Und um das nötige Geld zu akquirieren, mussten die Berliner bei ihren Immobilienfonds höhere Renditen und Sicherheiten bieten als die Konkurrenz.
Wären die Träume von der Metropole Berlin in Erfüllung gegangen, hätte dieses System wunderbar funktioniert. Doch je tiefer der Immobilienmarkt in Berlin und Ostdeutschland in die Krise rutschte, desto weiter öffnete sich die Schere zwischen hohem Kreditrisiko und hoher Sicherheit für die Anleger. Die erste Bauchlandung erlebte die Branche mit dem Pleitier Jürgen Schneider, dessen Projekte auch die Bankgesellschaft mit 315 Millionen Mark finanziert hatte. Anders als die Konkurrenz konnten die Berliner den Fall jedoch nicht als „Peanuts“ verbuchen – schließlich wimmelte es unter den Kreditkunden der Bank von lauter kleinen Schneiders.
Um die Löcher zu stopfen, legte die Bankgesellschaft immer neue Fonds auf mit immer höheren Garantien – ein „Schneeballsystem“, sagt Grünen-Fraktionschef Wolfgang Wieland: „Man hat in einer Spur von Größenwahn aus dieser kleinen Pfandbriefbank europaweit die größte Immobilienbank machen wollen. Man hat unentwegt frisches Geld akquiriert mit diesen wahnsinnigen Garantien, um die Schieflage zu überbrücken. Jetzt platzt die Bombe.“
Gelegt wurde der Sprengsatz in den frühen Neunzigern, als Berlins Provinzpolitiker noch von der großen Metropole träumten. Unter den Folgen dieser Politik leidet Berlin schon seit Jahren – ob es um sinnlose Projekte für die geplatzte Olympiabewerbung ging oder um eine Staatsverschuldung, die sich nach der Vereinigung in nur fünf Jahren verdreifachte. Jetzt zeigt sich: Aus der Zeit des Größenwahns ist noch eine milliardenschwere Rechnung offen.RALPH BOLLMANN
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