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arbeitsmarktSchwarz-grüne Kombizange

SPD und Grüne streiten sich. Das gab’s schon öfter. Neu ist das Thema: die Arbeitsmarktpolitik. Neu ist zudem, dass die Grünen einen Punktsieg davongetragen haben. Diesmal sehen sie nicht aus wie die Schulkinder, denen Oberlehrer Schröder wohlwollend oder genervt, in jedem Fall aber besserwisserisch erklärt, wie das Regieren funktioniert. Diesmal ist es Schröder, der fehlplatziert wirkt – wie ein Oberlehrer kurz vor der Pensionsgrenze, der machtlos „Ruhe!“ schreit, während der Radau im Klassenzimmer weitergeht.

Kommentarvon ULRIKE HERRMANN

Dabei hat Schröder so Recht – aber das haben Oberlehrer ja öfter. Es stimmt, dass der flächendeckende Kombilohn keine Lösung für die Arbeitsmarktprobleme ist. Es stimmt, dass er sich auch „Aktionismus“ nennen lässt. Es stimmt, dass sich die Arbeitgeber animiert fühlen könnten, die Zuschüsse zu missbrauchen. Es stimmt, dass noch weitere Programme jenseits des Kombilohns erst recht nicht finanzierbar sind. Und es stimmt, dass die Bundesregierung keine Schulden mehr machen kann, wenn sie die Euro-Stabilitätskriterien einhalten will.

Aber es nutzt Schröder nichts, dass er Recht hat. Er ist konfrontiert mit einer kleinen Koalition der ganz neuen Art: einer Koalition des Populismus von Union und Grünen. Die Partner weisen genüsslich darauf hin, wie lange sie schon für den Kombilohn seien: „Zwei Jahre!“ (die CSU) – „ein halbes Jahr!“ (die Grünen). Und beide verlangen Milliarden für den Arbeitsmarkt. Diese neuartige Koalition wird so lange Schröders „ruhige Hand“ in die Kombizange nehmen, bis sie zittert.

Die Einmütigkeit von Grünen und Union wirkt unerwartet – erscheinen doch Edmund Stoiber und Joschka Fischer wie die eigentlichen Kontrahenten bis zur Bundestagswahl, die von den Flügeln her den „Kampf um die Mitte“ aufnehmen. Für die Wahrnehmung der Personen mag das gelten, für die Inhalte stimmt es weniger. Zwar könnte der Gegensatz beim Thema Zuwanderung nicht größer sein – beim Thema Arbeitsmarkt dagegen sind die Forderungen fast deckungsgleich: Beide schätzen den Niedriglohnsektor.

Die kleine Koalition mit der Union hat den Grünen jedoch nicht nur einen Punktsieg über Schröder beschert – der Erfolg ist fundamentaler. Erstmals nehmen auch die Wähler wahr, dass die Grünen eine Meinung zum Arbeitsmarkt haben und nicht nur zum Atomausstieg. Da hat sich der Radau im Klassenzimmer doch gelohnt. Auch wenn der Oberlehrer Recht hat.

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