arbeitslos mit stoiber: Garantiert sozial ungerecht
Der Satz ging fast unter, doch er erwähnte es: Kanzlerkandidat Edmund Stoiber kann sich sehr wohl vorstellen, die Arbeitslosenhilfe auf das Niveau der Sozialhilfe abzusenken. Aber das sagte er gestern nur am Rande, viel lieber verweilte er beim Arbeitslosengeld. Da stilisierte sich der Kanzlerkandidat zum Rächer der Erwerbslosen. Pauschalisierung des Arbeitslosengeldes in den ersten sechs Monaten? Abschaffung des verlängerten Arbeitslosengeldes für Ältere? Das Verdikt war eindeutig: „Sozial ungerecht.“
Kommentarvon ULRIKE HERRMANN
Stoiber hat Recht: Es wäre ungerecht, am Arbeitslosengeld herumzuschnippeln. Aber wieso gilt dies nicht für die Arbeitslosenhilfe? Hinter den anonymen Begriffen „Arbeitslosengeld“ und „Arbeitslosenhilfe“ verbergen sich sehr konkrete Menschen. Und sie sind es, die mit der scheinbar so abstrakten Debatte um Finanzierungsmodelle tatsächlich gemeint sind.
Wer wie Stoiber das Arbeitslosengeld verteidigt, die Arbeitslosenhilfe aber kürzen will – der teilt die Arbeitslosen in zwei Klassen. Es gibt die „guten“ Arbeitslosen, die ihren Job erst kürzlich verloren haben und noch leicht zu vermitteln sind. Und dann sind da leider, leider die „schlechten“ Langzeitarbeitslosen. Sie ruhen sich angeblich auf ihrer Arbeitslosenhilfe aus und machen es sich in der sozialen Sofalandschaft bequem.
In der Arbeitsmarktdiskussion wiederholt sich, was aus dem Streit um die Zuwanderung bekannt ist. Auch dort teilten viele die Ausländer schnell in „gute“ und „schlechte“ Exemplare, als man anfing, verstärkt über die Green Card nachzudenken. Erwünscht war, wer sich hier sofort nützlich machen kann – den Rest, die Flüchtlinge, wollte man gern abschrecken.
Die Diskussion um die Arbeitslosen gleicht der Zuwanderungsdebatte auch darin, dass die Betroffenen kaum je als Subjekte wahrgenommen werden, sondern nur als Objekte. Sie werden verwaltet, nicht gefragt. Wer keinen Job hat, hat keine Meinung zu haben. Ähnlich erging es den Migranten. Man spricht nicht mit ihnen, sondern über sie.
Die Einteilung der Ausländer in „gute“ und „schlechte“ nahm ein übles Ende: Momentan gibt es nur noch unerwünschte Ausländer, viele Wähler halten die Green Card für überflüssig. Auch bei den Arbeitslosen kann die Zweiklassengesellschaft übel enden: Was mit der Kürzung der Arbeitslosenhilfe beginnt, kann bald drastische Einschnitte für alle Erwerbslosen bedeuten.
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