Zypern sucht Ausweg aus Schuldenkrise: Die gefährliche Goldgrube Gas
Zypern braucht Geld – und hat Gasvorkommen, die auf 600 Milliarden Euro geschätzt werden. Die Förderung steht am Anfang, die Vermarktung ist nicht ohne Risiko.
BERLIN taz | Nach der Ablehnung des EU-Rettungskredits durch das Parlament in Nikosia sucht Zypern dringend knapp sechs Milliarden Euro. Die sechs Milliarden Euro, die ursprünglich durch eine Zwangsabgabe der Einleger von Banken zustande kommen sollte, ist Voraussetzung für die Auszahlung von zehn Milliarden Euro durch EU, Europäische Zentralbank und Internationalem Währungsfonds. Fließt in den nächsten Wochen kein Geld, droht dem Staat und den Banken die Pleite. Dabei sitzt die Insel auf genug Geld: Im Jahr 2019 soll der Export von Gas beginnen, das südlich Zyperns unter dem Mittelmeer gefunden worden ist.
Die Royal Bank of Scotland beziffert den Wert des tief unter dem Meeresboden verborgenen Gases in einer Studie auf gigantische 600 Milliarden Euro. Dagegen sind die Schulden der Insel nichts. Doch erst einmal muss der Schatz geborgen und an Land geholt werden – das kostet viel Geld. Für einen Export ist die Verflüssigung des Gases vorgesehen, das dann mit Tankern nach Westeuropa gebracht werden könnte.
Vor gut einem Jahr, Ende Dezember 2011, war die Suche erstmals erfolgreich. Der US-Konzern Noble Energy entdeckte im Offshore-Sektor 12 südlich von Zypern 4.500 Meter unter dem Meeresboden Gas. Vermutet wird dort ein Vorkommen von 125 Milliarden Kubikmetern.
Zuvor hatten sich Zypern und Israel über eine Aufteilung der Bodenschätze geeinigt, die zwischen den beiden Staaten liegen. Auch Israel erhofft sich hohe Einnahmen aus den Gasfunden. Das Land soll so von Importen unabhängig werden.
Gazprom ging bislang leer aus
Inzwischen hat Zypern Konzessionen für weitere Gasfelder vergeben. Die italienische Eni ist ebenso daran beteiligt wie der südkoreanische Konzern Kogas und die französische Total. Russische Konzerne wie etwa Gazprom gingen dagegen bisher leer aus. Die zypriotische Öl- und Gasgesellschaft Kretik schätzt die Gesamtmenge des unterirdischen Gases auf 1,8 Billionen Kubikmeter. Zudem werden reiche Ölvorkommen in den Blöcken 10 und 11 vermutet.
Doch noch steht die Ausbeutung der Bodenschätze ganz am Anfang. Erst ab 2018 soll die Förderung beginnen. Für 2015 ist der Baubeginn eines Gasterminals bei Vassililos an der zypriotischen Südküste geplant. Dort soll das Gas verflüssigt werden, um es auf Tankschiffe laden zu können. Die Kosten für den Bau des Terminals werden mit mindestens sechs Milliarden Euro beziffert.
Mitte 2019, so die Hoffnungen der Zyprioten, könnte der Export nach Westeuropa beginnen. Schon vorher wäre es Zypern möglich, das Gas für den Eigenverbrauch zu nutzen.
Türkische Kriegsschiffe
Allerdings ist die Gasförderung auf der geteilten Insel politisch nicht unumstritten. Die international nicht anerkannte „Türkische Republik Nordzypern“ protestierte mehrfach gegen eine Ausbeutung ausschließlich zum Nutzen der griechischen Zyprioten. Türkische Kriegsschiffe tauchten mehrfach demonstrativ nahe der Plattform von Noble Energy auf, griffen allerdings nicht ein. Das internationale Recht dürfte allerdings der griechisch dominierten Republik Zypern recht geben, was die Gasförderung betrifft.
Könnte Zypern die voraussichtlichen Einnahmen aus dem Gasgeschäft schon jetzt versilbern, um wieder zu Geld zu kommen? Diese Idee ist nicht neu. Schon Anfang des Jahres hatte der populistische zypriotische Politiker Georgios Lillikas behauptet, ein EU-Kredit sei vollkommen unnötig, man habe schließlich das Gas.
Tatsächlich wird Gazprom ein Interesse an den Gasvorkommen nachgesagt. Allerdings dürfte der Verkauf etwa von Teilen der Gas- und Ölgesellschaft Kretik ein sehr schlechtes Geschäft für die Zyprioten sein. Schließlich trüge die russische Seite auch viele Risiken. Denn wie teuer die Förderung letztlich kommt, lässt sich derzeit nicht prognostizieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Frauen in der ukrainischen Armee
„An der Front sind wir alle gleich“
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts