Zypern nach Aus für Rettungspaket: Hoffen auf Russland
Das Hilfspaket der Europartner liegt nach Zyperns Nein zur Zwangsabgabe auf Bankguthaben auf Eis. Die letzte Hoffnung: Hilfe aus Moskau.
NIKOSIA dpa | Nach dem Scheitern des Rettungspakets im zyprischen Parlament sucht die politische Führung in Nikosia fieberhaft nach einem Ausweg aus der drohenden Staatspleite. Staatspräsident Nikos Anastasiades berät die schwierige Lage an diesem Mittwoch mit den Vorsitzenden aller Parteien und dem einflussreichen Erzbischof Chrysostomos.
Bei der entscheidenden Abstimmung im Parlament am Dienstagabend hatte kein einziger Abgeordneter die geplante und hoch umstrittene Zwangsabgabe auf Bankguthaben mitgetragen. Sie ist aber Voraussetzung für das am Wochenende geschnürte internationale Hilfspaket der Europartner. Das Geld in der zyprischen Staatskasse reicht nach früheren Regierungsangaben indes noch bis Mai
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel gibt auch der Bundesregierung Schuld an dem Zypern-Debakel. „Bundeskanzlerin Angela Merkel ist mitverantwortlich dafür, dass in Zypern Kleinsparer die Zeche zahlen sollen - aber die Bankeigentümer ungeschoren davonkommen“, sagte Gabriel zu Spiegel Online. Die Kanzlerin habe zugelassen, dass erstmals in der Euro-Krise Kontoinhaber „faktisch teilenteignet“ würden.
Die zyprische Kirche bietet dem Staat zur Überwindung der Krise ihr gesamtes Geld an. „Die Kirche und die Klöster werden für die Rettung des Landes alles zur Verfügung stellen“, erklärte der zyprische Erzbischof Chrysostomos nach einem Treffen mit Zyperns Staatspräsidenten Nikos Anastasiades am Mittwoch. Zyperns Parlament hatte am Dienstagabend die geplante Zwangsabgabe auf Bankguthaben abgelehnt. Die politische Führung in Nikosia sucht fieberhaft nach einem Ausweg aus der drohenden Staatspleite.
„Sie hat damit das Versprechen, dass sie 2008 gemeinsam mit Peer Steinbrück den deutschen Kleinsparern gegeben hat, für die Kleinsparer in ganz Europa verraten“, so Gabriel. „Dieses Vertrauen in Europa wieder herzustellen wird schwer.“ Es sei nicht allein Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gewesen, der mit dem hoch verschuldeten Euroland Zypern verhandelt habe, sondern die Kanzlerin selbst. „Sie hat beim Brüssel-Gipfel die Linie vorgegeben“, so Gabriel.
Schäuble enttäuscht
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sieht Europa nach der Ablehnung des Rettungspakets durch das zyprische Parlament in einer kritischen Situation. „Seit gestern Abend ist die europäische Krise zurück“, sagte Steinmeier am Mittwoch im ARD-Morgenmagazin. „Das Chaos ist komplett.“ Verantwortlich sei neben Zypern auch das europäische Krisenmanagement. Mit frontaler Kritik an Merkel hielt sich Steinmeier zurück.
Wolfgang Schäuble selbst reagierte enttäuscht auf das Scheitern des vereinbarten Zypern-Rettungspakets. „Wir bedauern, dass das zyprische Parlament sich heute gegen das von der Eurogruppe gemeinsam mit der zyprischen Regierung erarbeitete Programm entschieden hat“, erklärte Schäuble am späten Dienstagabend in Berlin. Er betonte zugleich: „Wir haben ausreichend Vorsorge getroffen, dass die heutige Entscheidung auf Zypern keine negativen Auswirkungen auf den Rest der Eurozone haben wird.“
Nun ruhen die Hoffnungen der Zyprer auf Russland. Wie Anastasiades' Büro mitteilte, telefonierte der Präsident nur wenige Minuten nach der gescheiterten Abstimmung mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin. Das Gespräch habe etwa 30 Minuten gedauert und die Finanzbeziehungen beider Staaten betroffen. Das Staatsfernsehen berichtete, beide hätten sich auf ein Treffen geeinigt. Ein Termin wurde aber nicht genannt.
Russische Unternehmen haben aus Steuergründen Milliardensummen nach Zypern transferiert. Auf der verzweifelten Suche nach Geldquellen war der zyprische Finanzminister Michalis Sarris bereits am Dienstag nach Moskau geflogen.
Auf Zerreißprobe
Nach hitziger Debatte hatten 36 von 56 Abgeordneten gegen die Zwangsabgabe gestimmt. 19 enthielten sich nach Angaben von Parlamentspräsident Giannakis Omirou der Stimme. Eine Abgeordnete war nicht anwesend. Anastasiades erklärte, er werde die Entscheidung respektieren.
Der Stopp der Zwangsabgabe stellt seine eben erst gewählte Regierung aber auf die Zerreißprobe. Unter dem Druck massiver Proteste hatte die Regierung die einmalige Abgabe für Bankkunden vor der Abstimmung bereits abgeschwächt. Nach der Änderung sollte das Gesetz Guthaben bis zu 20 000 Euro verschonen. Die Zwangsabgabe soll 5,8 Milliarden Euro einbringen - und ist Bedingung der Europartner für Kreditzusagen im Umfang von 10 Milliarden Euro.
Die Europäische Zentralbank (EZB) versicherte am Dienstagabend in einer kurzen Stellungnahme, sie werde die Liquiditätsversorgung der Banken in Zypern im Rahmen der bestehenden Regelungen weiter sicherstellen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland