piwik no script img

Zwischenstand vom Zensus 2011Fragebögen an Tote

Die erste Volkszählung seit 1987 in Deutschland läuft bislang erstaunlich reibungslos – bis auf Ärger ums Porto. Und einige Kuriositäten.

Ein Stift geht zählen: Zensus 2011. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Volkszählung 2011 läuft seit gut vier Wochen – es ist der erste Zensus seit 1987. Alle 17,5 Millionen Immobilienbesitzer sind zur Auskunft verpflichtet. Ebenso wie 10 Prozent der Bürger, die zufällig ausgewählt wurden. Wie läuft der Zensus? Die taz hat bei den Statistischen Landesämtern nachgefragt. Ein Zwischenstand.

Wie stark ist der Rücklauf?

Obwohl die Frist für die Rücksendung der Fragebogen für die Immobilienbesitzer größtenteils abgelaufen ist, hat bisher erst rund die Hälfte Auskunft gegeben. Überdurchschnittlich hoch ist die Quote mit zwei Dritteln in Rheinland-Pfalz. In Berlin und Brandenburg hat erst etwa ein Fünftel geantwortet. Dort habe sich der Versand der Bögen verzögert, so das Amt für Statistik. Für die Haushaltsbefragung gibt es bundesweit keine verwertbaren Daten. Die Befragung durch Interviewer läuft seit dem 9. Mai.

Gibt es viele Verweigerer?

Die Statischen Landesämter melden bisher allenfalls Einzelfälle von Verweigerung. "Einige sagen: Ich gebe keine Auskunft. Punkt. Wie ernst das gemeint ist, wird man erst sehen, wenn Zwangsgelder erhoben werden", sagt Leo Krüll vom Statistischen Landesamt Nordrhein-Westfalen. Nach zwei bis drei Kontaktversuchen durch die Interviewer würden schriftliche Erinnerungen verschickt. Es folgen Mahnungen, Zwangsgelder oder gar Beugehaft. Das dauere bis zu zwölf Wochen.

Nach Angaben der Statistikbehörde in Bremen können Dauerverweigerer für das Land teuer werden. Markus Habig rechnet vor: Jede Person der Stichprobe repräsentiert 23 andere. Im Länderfinanzausgleich gibt es dafür hochgerechnet 60.000 Euro. "Bei zwei aktiven Verweigerern, von denen wir jetzt schon wissen, drohen uns also 120.000 Euro Verlust."

Deshalb werde man, wenn nötig, auch Zwangsgelder verhängen, wenn das nicht reiche, zum Mittel der Beugehaft greifen. Der Großteil der Befragten macht von der Möglichkeit Gebrauch, die Fragebögen mit dem Interviewer auszufüllen. In Rheinland-Pfalz sind es bisher 80 Prozent.

Sind ausreichend Interviewer vorhanden?

Nachdem es in einigen Ländern im Vorfeld Probleme gab, genug Freiwillige zu finden, die als Beauftragte die Haushaltsbefragung durchführen, springen auch nach dem Start der Erhebung viele Interviewer ab. In Nordrhein-Westfalen etwa haben in manchen Kreisen 25 Prozent der Erhebungsbeauftragten ihre Arbeit quittiert. "Einige Personen haben den Arbeitsaufwand unterschätzt", sagt Leo Krüll von der Statistikbehörde. In anderen Bundesländern liegt die Quote bei etwa 10 Prozent.

Gibt es viele Beschwerden?

Der Protest im Vorfeld war – im Gegensatz zu 1987 – gering. Auch jetzt regt sich kaum Widerstand. "Bei der 87er-Volkszählung entzündete sich der Protest noch an Inhalten – heute am Porto", sagte Martin Ratering vom Statistischen Landesamt Baden-Württemberg. Ähnliches berichten andere Länder.

Ratering sagt, es gebe Tage, an denen bis zu 50.000 Bürger die Hotlines anrufen und sich darüber beschweren, dass sie für den Versand der Fragebögen für Immobilienbesitzer an die Behörde das Porto selbst zahlen müssen. Die Post stellt die Fragebögen auch unfrankiert zu. Während die Behörden in einigen Bundesländern dafür aufkommen, will das Statistische Landesamt Bayern Säumige mahnen.

Welche Pannen gibt es?

In vielen Ländern wurden Fragebögen an Tote verschickt. Denn oft wurden veraltete Daten von Ver- und Entsorgungsbetrieben für die Erstellung der zu befragenden Immobilienbesitzer genutzt. Wenn eine Person nach ihrem Tod nicht bei der Müllabfuhr abgemeldet wurde, gab es Post von der Behörde.

Zahlreiche Behörden berichten von falschen Fragebögen und Interviewern. So sind im hessischen Witzenhausen Fragebögen aufgetaucht, die nach den sexuellen Gewohnheiten fragen – wohl ein Spaß, angesichts des Stadtnamens, sagt ein Behördensprecher. Andernorts versuchen dagegen Betrüger gezielt durch den Zensus an Kontodaten der Bürger zu kommen. Vor allem in Bayern versuchten Kriminelle, Bürger am Telefon oder an der Haustür zu befragen. Sie versprechen 40 Euro und fragen nach den Kontodaten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • BS
    Bernd Schmitt

    Die erste Volkszählung seit 1987 in Deutschland läuft bislang erstaunlich reibungslos...

     

    ... wenn man davon absieht, dass diverse Erhebungsbeauftragte ihre Entschädigung nicht wie angekündigt zeitnah, sondern voraussichtlich erst im späten Herbst oder als "Weihnachtsgeld" erhalten sollen.

     

    Grund dafür, so wurde es mir (= selbst Erhebungsbeauftragter) von meiner Erhebungsstelle (in RLP) gesagt, seien Probleme mit dem Einscannen der Bögen, auf denen wir die Befragungsergebnisse dokumentieren und aus denen dann die Entschädigung eigentlich berechnet werden sollte.

     

    Wobei man auch mal fragen könnte, wenn man Probleme mit dem "Einscannen der Befragungsergebnisse" hat, ob das dann nicht doch was größeres ist, was über ein paar wartende Geldbeutel hinausgeht...

     

    Das Problem soll lt. meiner Erhebungsstelle ganz RLP, Saarland, sowie Teile von NRW und BW betreffen. Wieso liest/hört/sieht man darüber in den Medien bislang nichts?

  • G
    grefel

    Markus Habig hat von Statistik keine Ahnung - die Aussage ist so unglaublich peinlich, dass es erstens schade ist, dass die taz sie unkommentiert abdruckt und zweitens offensichtlich wird, dass er mit billigen Lügen arbeitet.

     

    Falls ein Verweigerer mit null und nichtig in die Statistik eingehen würde, wäre dies die vollständige Disqualifikation der kompletten Erhebungsmethode der Volkszählung.

  • S
    schulz

    supa die volksverwaltung mein lieblingsthema...

    nichts geht drueber?

     

    alle offenen fragen zwecks problembeseitigung

    sind an meine person zu richten...

     

    aller aerger ist dann fuer alle anderen

    nicht mehr da...

  • C
    Celsus

    Die Ergebnisse der Befragung machen natürlich nur dann Sinn, wenn das zu Beginn politischer Entscheidungsfindungsprozesse mal angeschaut wird. Ich erinnere mich da noch deutlich an den Patzer der Kanzlerin, die den Südoeuropäern utnerstellte früher als die Deutschen in Rente zu gehen. Statistisch falsch. Und doch hatte sie das dann bereits mit der Forderung nach einer Rente mit 69 verbunden.

     

    Dafür freilich hätte sie noch weitere Statistiken mühselig angucken müssen oder jemanden fragen, der etwas davon versteht. Interessant und schon lange untersucht ist ja die Frage, wie sich ein früherer Ruhestand auf die Arbeitslosigkeit auswirkt. Erarbeitet wurde die Materialien im Rahmen des damaligen Vorruhestandsgesetzes. Das Ergebnis scheint mir da knapp formuliert so zu sein:

     

    Mit 60 wollen die Leute in Rente. Wenn da das Renteneintrittsalter läge, hätte es positive Effekte für den Arbeitsmarkt. Wie beim Atomausstieg empfiehlt die Kanzlerin aber zunächst einmal genau das Falsche. Eine Meinungsänderung dann wieder nur aus Furcht vor Wahlerfolgen der Oppsosition.

  • A
    Anja

    Ich bin auch Erhebungsbeauftragte.

    Mir fehlt noch ein Hauhalt mit 4 Personen, dann bin ich durch.

     

    Die Menschen waren alle interessiert am Zensus. Sie gaben gerne Auskunft. Ein paar fragten MICH Sachen (obwohl ICH doch fragen sollte *g).

    Sie fragten mich z. B., wie es mir als Interviewerin ergehe. Ich antwortete: Die meisten sind genauso freundlich wie Sie! Ich bin aber auch darauf eingestellt, dass manche vielleicht barsch reagieren.

     

    Darauf die Befragten: Ach - das war früher, in den 80ern. Das waren andere Zeiten!

  • K
    Konrad

    Der mündige Bürger sollte anfragen, welche Daten vorliegen und wer diese wann übermittelt hat.

    Die Müllabfuhr wird also befragt..,

  • A
    Anne

    So etwas kann ja passieren, wenn man nicht ganz aktuelle Daten nutzt - mein Problem war eher, dass das entsprechende Feld fehlte und der Internetfragebogen einem auch nicht wirklich die Chance gelassen hat, da etwas anderes in die Felder zu schreiben, als vorgesehen ... Jetzt steht halt die Adresse des Friedhofes als Adresse da :)

  • EA
    Enzo Aduro

    Toll, jetzt leidet ganz Berlin darunter weil in seiner Bevölkerung überdurchschnittlich viele Zensus "Ich fühle mich ausspioniert" Blabla bla Id***** sind.

  • GC
    gerd coelfen

    Es wird in dem Artikel der Eindruck erweckt, es würden 10 v.H. der Buerger befragt. Es sind 30 v.H., die 10 Prozent beziehen sich auf den sogenannten Microzensus,

    welcher etwa viermal so umfangreich ist wie die Haus-

    haltsbefragung.

    Das kann doch nicht so schwer sein!Wer keine Lust hat,

    kann sich ja auch vielleicht mal einen anderen job suchen.

  • N
    nono

    Als Verweigerer kann man doch sein Soll "Übererfüllen" in den man besonders"genaue Daten angibt!!:-))..oder werden sie später mit der Datenzentrale abgeglichen?

  • W
    Witzenhausen?

    "So sind im hessischen Witzenhausen Fragebögen aufgetaucht, die nach den sexuellen Gewohnheiten fragen – wohl ein Spaß, angesichts des Stadtnamens."

     

    Witzenhausen? Gemeint ist wohl eher Wixhausen.

    Da musste ich mal als Zivi hinfahren, und als ich gemerkt habe, dass ich über den Namen nichtmal schmunzeln kann, hatte ich auf einmal das Gefühl, alt zu werden. :P

  • KP
    Klaus Pietschmann

    ich habe spasseshalber nach besten wissen und gewissen alle angaben ueber meine person mitgeteilt. warum? als dieser depp vom zensus vor mir sass, konnte ich nicht anders. wie er so ungelenk versuchte die brauchbaren und unbrauchbaren fragen zu sortieren,weil alle fragen fuer jeden bundesbuerger gleich lauten (keine anlage k vorhanden, wie man es vom lohnsteuerjahresausgleich kennt), musste ich einfach mein herz oeffnen und hilfestellung leisten. jetzt weiss der staat aber ganz genau, dass ich auf ihn scheisse, weil er mir nichts von dem was ich dareiche zurueckgibt. mit besten gruessen an die konsumwirtschaftswachstumsfuzzis( mein gott wie soll'n wir in den naechsten 20 jahren persil und mercedes an den mann bringen, wenn die deutschen nicht mehr genuegend ficken?). auf gutes gelingen des seelischen ausverkaufs- herzlichst klaus pietschmann.

  • M
    m.b.

    Wahrscheinlich ist die erdrückende Mehrheit der Angaben auch noch korrekt. 700 Million Euro kostet der ganze Spaß. Da sind Beschwerden über das Porto lustig.