Zwischenbericht zur NSU: Vom Verfassungsschutz gestützt
Vorwurf: Der Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtags sieht Mitschuld des Thüringer Geheimdienstes bei Radikalisierung des Terrortrios.
BERLIN taz | Der Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtags zur Terrorzelle NSU macht in seinem am Montag veröffentlichten Zwischenbericht den Sicherheitsbehörden des Landes massive Vorwürfe. Der 554-seitige Bericht umfasst bisher zwar nur die Zeit nach der Wende bis zum Untertauchen des Neonazis Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe im Januar 1998. Doch auch hier konnten die Abgeordneten schon schwerste Versäumnisse erkennen.
In den Jahren nach 1990 sei die „Verankerung der neonazistischen Strukturen, ihre Konzeptionen zur Schaffung national befreiter Zonen sowie die hohe Gewaltbereitschaft bis hin zum Einsatz terroristischer Mittel“ von den Behörden „unterbelichtet“ geblieben, heißt es im Wertungsteil des Berichts. Insgesamt habe damals im Freistaat eine Kultur des Wegschauens und Verharmlosens geherrscht.
Ein „gravierender Fehler“, so heißt es weiter, sei schließlich die Auflösung der gegen Rechtsextremismus gerichteten Polizeisondereinheit „Soko Rex“ im Jahr 1997 gewesen. Dieser Fehler sei „als mitursächlich für später eintretende Ermittlungsfehler“ im Zusammenhang mit der Terrorzelle NSU zu werten, befanden die Abgeordneten.
V-Mann in der Neonaziszene
Der Untersuchungsausschuss kommt im Rückblick außerdem zu der Überzeugung, dass der militante Neonazi-Zusammenschluss „Thüringer Heimatschutz“, in dem sich auch das spätere NSU-Terrortrio bewegte, womöglich schon im Jahr 1997 hätte verboten werden können. Doch ausgerechnet den führenden Kopf des „Thüringer Heimatschutzes“, Tino Brandt, führte das Landesamt für Verfassungsschutz von 1994 bis 2001 als V-Mann in der Neonaziszene.
Für seine Spitzeltätigkeit soll er insgesamt rund 200.000 Mark vom Staat bekommen haben. Der Ausschuss befand: Der Verfassungsschutz habe durch die hohen Zahlungen an Tino Brandt „wenigstens mittelbar die Struktur gestützt, in der sich das spätere NSU-Trio radikalisiert hat“.
Insgesamt sei durch die bisherige Arbeit des Ausschusses eine „fatale Innensicht“ auf den Thüringer Verfassungsschutz deutlich geworden, der offenbar sogar so weit ging, V-Mann Brandt vor Maßnahmen von Polizei und Justiz schützen zu wollen. Es habe zwar nicht geklärt werden können, wer aus dem Verfassungsschutz die Hand über Brandt gehalten habe. Man gehe aber davon aus, „dass mehrfach eine zumindest versuchte oder sogar erfolgte Strafvereitelung stattgefunden hat“.
Der Zwischenbericht war mit sechs Ja-Stimmen von den Mitgliedern des Thüringer Untersuchungsausschusses verabschiedet worden. Ein CDU-Mann enthielt sich, weil ihm manche Formulierung zu scharf war. Die beiden Vertreterinnen der Linkspartei enthielten sich, weil ihnen wichtige Punkte fehlten. Diese haben sie nun in einem Sondervotum ausgeführt. Dort ist von einem „systematischen Versagen der Institution Verfassungsschutz“ die Rede.
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