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Zwischen Sondierung und SPD-ParteitagUnion gibt der SPD keinen Nachschlag

Nach der CDU stimmt auch der CSU-Vorstand einstimmig für Koalitionsverhandlungen. Neue Forderungen der SPD weist Generalsekretär Scheuer ab.

Haben gut lachen: CSU-Chef Horst Seehofer und Generalsekretär Andreas Scheuer am Montag Foto: dpa

Berlin taz | Was sich am Montagmittag im Münchner Franz-Josef-Strauß-Haus abspielt, ist vielleicht eine Premiere: In der eigenen Parteizentrale zitiert der Generalsekretär der CSU aus dem Vorwärts, dem Zentralorgan der deutschen Sozialdemokratie. „Da lese ich nach, dass auch die Frau Nahles für die Bundestagsfraktion der SPD sich sehr freut, weil viel für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes herausgeholt wurde“, sagt Andreas Scheuer im Anschluss an die Sitzung des CSU-Vorstands, der am Vormittag die Ergebnisse der Sondierungsgespräche besprochen hat.

Die Botschaft hinter der öffentlichen Lesung ist klar: Weil die Sondierungsdelegation der Sozialdemokraten dem gemeinsamen Ergebnispapier am Freitag erst hinter verschlossenen Türen zustimmte und es unmittelbar danach auch öffentlich anpries, will die CSU jetzt auf keinen Fall nachträgliche Änderungen akzeptieren.

Man habe zwar Verständnis für parteiinterne Diskussionen in der SPD, sagt Scheuer am Montagmittag. Man nehme auch Rücksicht auf den SPD-Parteitag am nächsten Sonntag. Das Sondierungsergebnis sei aber „so zu verstehen, dass es nicht noch ein Obendrauf gibt, sondern dass es fix ist und inhaltliche Basis für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen“.

Einen Nachschlag auf das Sondierungsergebnis hatten am Wochenende mehrere Sozialdemokraten gefordert. So kündigte Parteivize Malu Dreyer an, in den eigentlichen Koalitionsverhandlungen noch einmal über die Bürgerversicherung im Gesundheitssystem zu sprechen, die im Sondierungspapier nicht auftaucht. „Wir werden versuchen, in den Koalitionsverhandlungen noch Erfolge zu erzielen“, sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Ihr Vorstandskollege Ralf Stegner forderte das Ende von sachgrundlosen Befristungen bei Arbeitsverträgen, Berlins Regierungschef Michael Müller sprach von Nachbesserungen bei den Themen Wohnen und Migration.

Mehrheit auf Parteitag unsicher

Die Aussicht auf solche nachträgliche Änderungen könnte der SPD-Spitze dabei helfen, auf dem Parteitag am Sonntag grünes Licht für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zu bekommen. Bislang ist nicht sicher, dass sie dafür unter den Delegierten eine Mehrheit bekommt.

Solche Probleme haben die Unionsparteien nicht: Sie lassen nicht ihre Basis über das Sondierungsergebnis entscheiden. Stattdessen stimmten die Vorstände der CDU (schon am Freitag) und der CSU (am Montag) jeweils einstimmig für den Beginn der Koalitionsverhandlungen. „Wir sind vertragstreu“, sagte dazu Generalsekretär Scheuer.

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4 Kommentare

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  • „Wir sind vertragstreu“, sagte dazu Generalsekretär Scheuer.

     

    Wenn man die Sondierungsgespräche und das Ergebnis daraus einem Vertrag gleich setzen würde, dann gibt es auch Möglichkeiten diesen "Vertrag" für nichtig zu erklären und/oder neu zu verhandeln bzw. Nachbesserungen (Nachträge) zu akzeptieren.

     

    Warum?

     

    In diesem "Vertrag" gibt es zum Beispiel keine "salvatorische Klausel". D.h. wenn zum Beispiel ein Teil dieser Vereinbarung nicht rechtens also unwirksam wäre, dann kann - ohne im Vertrag niedergelegte salvatorische Klausel - den ganzen Vertrag (28 Seiten aus Sondierungsgesprächen) für nichtig bzw. unwirksam erklärt werden.

     

    Wo gibt es eine Stelle, die nicht rechtens ist, und den gesamten Vertrag kippen würde?

     

    Die Obergrenze für Flüchtlinge ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar! Das hat selbst der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Herr Andreas Voßkuhle öffentlich bestätigt!

    http://www.fr.de/politik/flucht-zuwanderung/fluechtlingsdebatte-vosskuhle-obergrenze-unzulaessig-a-389826

  • 9G
    97663 (Profil gelöscht)

    Weshalb die SPD-Spitze es nicht schafft, einige für die andere Seite wichtige Punkte in den Dissens zu stellen, damit es etwas zu verhandeln gibt (in den Koalitionsverhandlungen!) bleibt deren Geheimnis. Nun also der Umweg über die Delegierten und ggf. die Basis. Dort wird klar: das reicht so einfach nicht. Entweder es gibt in wichtigen Sachfragen weitere Bewegung (Mieten, Gesundheit, Soziales) oder keine Koalition. Dann hat die SPD vor Neuwahlen wenigstens für ihre Wähler gekämpft.

  • Martin Schulz ist ein politisches Genie.

     

    Einer GroKo zu solch schlechten Bedingungen kann der Bundesvorstand gar nicht zustimmen . ;-) oder doch :-(

  • Nachbessern? Als wären Leute wie Stegner und Müller nicht selbst bei den Sondierungen dabei gewesen und hätten das Papier ausgehandelt.

     

    Man kann die SPD wegen solcher Politpflaumen nur bedauern...