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Zwischen Genre- und Autorenfilm

In Kourouzu dreht sich alles um, äh, Spiralen: Uzumaki von dem Videokünstler Higuchinsky alias Higuchi Akihiro changiert zwischen Horror, Psycho und Klamauk  ■ Von Tobias Nagl

Übersetzte man Uzumaki ins Deutsche, käme dabei „Spirale“ oder „Strudel“ heraus. Und damit ist die Sache schon ziemlich auf den Kopf getroffen. Uzumaki handelt nämlich nicht nur nahezu ausschließlich von Spiralen, dieser seltsame Film macht einen auch tatsächlich schwindeln. Nicht etwa jedoch, weil er wie der Teen-Horror der späten neunziger Jahre uns in eine vor filmhistorischen Anspielungen überbordende, postmoderne Referenzhölle stürzte, im Gegenteil: Über den Sinn seines eigenen Treibens schweigt sich Uzumaki so beharrlich aus wie jeder durchschnittliche Psychotiker. Ob in Uzumaki überhaupt irgendein sinnstiftendes Osterei ausgelegt wurde, kann man als Frage beruhigt an den interpretationsfreudigen, akademischen Nachwuchs verweisen. Mit genügend Lacan und Zizek im Tornister wird er es nämlich ganz sicher finden: als „Insistenz des Realen“, als obszönes „Genießen“ oder als „Symptom“.

Beunruhigen sollte das niemanden, auch Sie da hinten nicht, die Sie diese Worte vielleicht noch nie gehört haben, denn Spaß lässt sich mit Uzumaki natürlich auf vielfältige Weise haben. Und hören wir nicht alle manchmal Stimmen? Mir flüstert gerade eine von meinen ein, Man Rays reichlich knappes, surrealistisches Filmwerk bestünde ausschließlich aus – na? – Spiralen. Aber lassen wir das.

Dieses auch erzählerisch bizarr mäanderende Filmding handelt also von Spiralen, genauer: von der Idee der Spirale, und wie das Dorf Kurouzu in ihren Bann fällt. „Kurouzu, meine Heimatstadt; was ich jetzt erzählen werde, ist eine seltsame Geschichte, die sich ebendort zutrug“, erklärt eine Mädchenstimme im Prolog. Als Exposition erinnert die Geschichte vom Dorf, in dem Merkwürdiges passiert, an das amerikanische Horrorkino, an Invasion of the Body Snatchers, Village of the Dammed oder The Step-ford Wives. Ein Horrorfilm ist Uzumaki trotz ähnlicher Ausgangssituation allerdings mitnichten. Eher steht der Film in der Tradition der übersinnlich-schauerromantischen Phantastik eines H. P. Lovecraft. Denn ist das Spiralenmotiv erst einmal etabliert, bleibt für Suspense oder eine Auflösung kaum mehr Raum: Das „Unausprechliche“ will einfach nur konsequent exekutiert werden. Das allerdings geschieht visuell ungeheuer verspielt und nicht ohne grotesken Humor.

Die Mädchenstimme gehört der Highschool-Schülerin Kirie (Hatsu-ne Eriko), deren Freund Shuichi (Fan Fhi) sich Sorgen macht. Sein Vater (Osugi Ren, bekannt aus Monday), bis vor kurzem noch ein respektabler Geschäftsmann, fühlt sich zunehmend von Gegenständen mit Spiralmustern angezogen. Mit seiner Videokamera filmt er Schneckenhäuser, später Kiries Vater, einen Töpfer, dem die spiralförmige Handbewegung schon allein berufsmäßig längst zur zweiten Natur geraten ist. Bald ähnelt das Haus der Familie einem Altwarenlager; zur Arbeit geht der Spiralensammler schon eine Weile nicht mehr – bis die Familie den Fetischismus des Vaters nicht länger erträgt. Über der Miso-Suppe eskaliert der Streit; später wird Shuichis Vater tot und spiralförmig zusammengekrümmt in der Waschmaschine gefunden.

Doch dabei bleibt es nicht: Da ist ein Schüler, der nur noch bei Regen in der Schule erscheint. Er ist nicht nur so langsam „wie eine Schnecke“ er hinterlässt auch tatsächlich Schritt für Schritt eine ekelige Glibberspur. Als sich die allgemeine Besessenheit ins Schizoide steigert, beginnt der Journalist Tamura zu ermitteln. Wie wir als geübte Kinozuschauer jedoch ahnen, ist es da bereits für Flucht oder Vergeltung längst zu spät.

Kongenial adaptiert der Videokünstler Higuchinsky (aka Higuchi Akihiro) den gleichnamigen Manga von Junji Ito. Deutlich vor der Handlung steht hier deshalb wohl auch die visuelle Idee: Keine Gelegenheit nämlich lässt Higuchinsky aus, seine Schizo-Spiralen im Setdesign wie in einem Kinderbuch zu verstecken. Wie Kiyoshi Kurosawa (Pulse) oder Takashi Miike (Audition) gelingt ihm dabei der Spagat zwischen Autorenfilm und Genreanleihen bravourös. Nur: Was diese gottverdammten Spiralen sollen, wissen wir immer noch nicht. Ansteckend für Kinozuschauer sollen sie nach bisherigen Forschungsergebnissen nicht sein, flüstert wieder eine von diesen Stimmen. Und: Probieren Sie es doch einfach mal aus.

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