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Zweiter Jahrestag des Terrors in HanauWas muss noch geschehen?

Es gibt ein Leben vor und ein Leben nach Hanau. Jeder selbsternannte Antirassismus, der nicht so denkt und fühlt, hat die Bezeichnung nicht verdient.

Gedenken im Februar 2021 an den rassistischen Anschlag in Hanau Foto: Andreas Arnold/dpa

E s ist diese Ohnmacht, die mich fertigmacht. Von der ich weiß, dass viele von Rassismus betroffene Menschen in diesem Land unter ihr leiden. Wir mahnen, recherchieren, erzählen die relevanten Geschichten, und nichts passiert. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem wieder Menschen sterben.

Vor zwei Jahren wurden neun Geschwister in Hanau von einem Rechtsextremisten ermordet. Sie alle könnten noch am Leben sein mit ihren Träumen und Plänen und Freuden. Sie sind uns aber entrissen worden. Ich kann mir den Schmerz gar nicht vorstellen, durch den die Angehörigen an jedem Jahrestag, eigentlich jeden einzelnen Tag gehen müssen. Es macht mich fertig und krank, überhaupt daran zu denken. Manchmal, wenn ich in Hanau bin, kann ich vor Scham und Trauer den Müttern und Söhnen und Freun­d*in­nen und Nach­ba­r*in­nen dort nicht in die Augen schauen. Ich weiß nicht, wie sie das alles aushalten.

Aus diesem Text spricht meine Verzweiflung: Was muss noch geschehen, damit Nazis enttarnt, entwaffnet, geächtet werden? Damit jenen, die im Visier der White Supremacy sind, endlich zugehört wird? Zwei Jahre nach Hanau fühle ich nur diese eine ehrliche Antwort: Ich weiß nicht, was noch geschehen muss.

Hanau, aber auch die vielen anderen schrecklichen Attentate von Halle, Kassel oder München, sie gehen einigen Menschen sehr nahe. Und das, obwohl sie weit, weit weg sind. Ich war am 19. Februar 2020 in den USA und habe ein Buch über Antirassismus in der Hand gehalten, als mich die erste Meldung erreichte. Ich bin damals in Tränen ausgebrochen. Jetzt bin ich wieder weit weg, wieder in den USA, 9.795 Kilometer von Hanau entfernt, um genau zu sein. Mein Herz, meine Gedanken sind aber in jenem Land, das die tödliche Gefahr für uns und unsere Liebsten einfach nicht ernst nehmen will, viel zu oft sogar anfeuert, manchmal einfach träge ist, uns zu schützen, und sich noch nicht mal dabei schämt, diese Trägheit und dieses Desinteresse an unserem Leben zur Schau zu stellen.

Vor und nach Hanau

Es ist ein großes Privileg, die Bedrohung durch Rechtsextremisten wegzuwischen und als ein Ereignis von vielen im Kopf einzuordnen. Ich kann das nicht. Für mich gibt es ein Leben vor und ein Leben nach Hanau. Jeder selbsternannte Antirassismus, der nicht auch so denkt und fühlt, hat die Bezeichnung nicht verdient. Spätestens jetzt, zwei Jahre nach dem rechtsextremen Anschlag, ist es so weit, dass sich jede Partei, je­de*r Publizist*in, jede Person in diesem Land dieser Entscheidung kompromisslos stellt. In Gedenken an:

Ferhat Unvar

Gökhan Gültekin

Hamza Kurtović

Said Nesar Hashemi

Mercedes Kierpacz

Sedat Gürbüz

Kaloyan Velko

Vili Viorel Păun

Fatih Saraçoğlu

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Mohamed Amjahid
Mohamed Amjahid ist freier Journalist und Buchautor. Seine Bücher "Der weiße Fleck. Eine Anleitung zu antirassistischem Denken" und "Let's Talk About Sex, Habibi" sind bei Piper erschienen. Im September 2024 erscheint sein neues, investigatives Sachbuch: "Alles nur Einzelfälle? Das System hinter der Polizeigewalt" ebenfalls bei Piper.
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2 Kommentare

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  • Sie haben mit dem was Sie geschrieben haben alles getan was ein Einzelner tun kann. Sie haben den Opfer ein Gedenken gegeben. Sie haben auch andere Opfer angesprochen auch von München, da fällt uns der 22. Juli 2016 ein oder der 13. Februar 1970, in der Presse weitestgehend vergessen, von Ihnen benannt. Das ist das Einzige was man als Einzelner tun kann.

  • Was fehlt, ist die Veränderung von Mentalität. Das ist ein langwieriger Vorgang, der weit vor Kritik an Rassismus beginnen muß.