Zweite Notdienstpraxis in Berlin: Notfall immer samstags & sonntags

Weil Rettungsstellen der Krankenhäuser an den Wochenenden überfüllt sind, sollen Notdienstpraxen er­öffnen. Anfang April eröffnet die nächste in Wedding.

Hier lang, wenn es anders nicht geht … Foto: dpa

Wehe dem, der am Wochenende ins Krankenhaus muss. In den Rettungsstellen der Kliniken ist es oft brechend voll. Patienten mit Lungenentzündungen, Sehnenriss oder Panikattacke sitzen neben anderen mit gequetschten Fingern, grippalem Infekt oder fieberndem Kind auf dem Schoß. Und weil es so viele sind, beträgt die Wartezeit gerade für die mit leichten Beschwerden oftmals Stunden.

Tatsächlich wählen deutlich mehr Menschen den Weg in die Notaufnahme als früher. Bei einer bundesweiten Befragung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung im Sommer 2017 sagten 47 Prozent, dass sie sich direkt an eine Klinik wenden, wenn sie am Wochenende oder nachts ärztliche Hilfe brauchen; 2006 machten das nur 29 Prozent. Entsprechend überlaufen sind die Rettungsstellen.

Das soll sich ändern: Die Kassenärztliche Vereinigung Berlin (KV) hat angekündigt, ihr Notfallangebot zu reformieren. Künftig sollen acht Notdienstpraxen in unmittelbarer Nähe zu den Rettungsstellen die Patienten mit mutmaßlich leichten Beschwerden behandeln. Eine solche Anlaufstelle gibt es bereits am Unfallkrankenhaus in Marzahn. Anfang April soll eine weitere am Jüdischen Krankenhaus in Wedding eröffnen. Mit anderen Kliniken sei man im Gespräch, sagte eine Mitarbeiterin der KV. Ziel ist, dass die Praxen über die Stadt verteilt entstehen sollen.

Das Unfallkrankenhaus in Marzahn hat bereits seit August 2016 eine Notdienstpraxis in der Klinik. Sie hätten gute Erfahrungen gemacht, sagt Hajo Schmidt-Traub aus der Klinik­leitung. Den Raum und das nichtärztliche Personal stellt das Krankenhaus gegen eine Aufwandsentschädigung, die Ärzte schickt die Kassenärztliche Vereinigung. Am Wochenende ist von 10.30 Uhr bis 22.30 Uhr je ein Arzt anwesend.

„Alle profitieren vom System“

Schon bei der Anmeldung der Rettungsstelle können leicht Betroffene an die Notdienstpraxis verwiesen werden. Knapp 63.000 Patienten wendeten sich im Jahr 2017 an die Rettungsstelle in Marzahn, die die ganze Woche und rund um die Uhr geöffnet hat. 5.000 dieser Patienten wurden am Wochenende in der Notdienstpraxis behandelt.

Die Kassenärztliche Vereinigung Berlin (KV) ist für die ambulante Versorgung zuständig. Außerhalb der Öffnungszeiten regulärer Praxen übernimmt diese bislang vor allem der Ärztliche Bereitschaftsdienst. Bei einer Hotline bekommen Patienten rund um die Uhr Auskunft über geöffnete Notdienstpraxen und Notdienstapotheken sowie zwischen 8 und 24 Uhr auch eine erste ärztliche Einschätzung der Beschwerden und Beratung zum weiteren Vorgehen. Die Hotline hat bislang die Nummer 310031, soll aber auf die bundesweit einheitliche Nummer 116117 umgestellt werden.

Der fahrende Ärztliche Bereitschaftsdienst der KV Berlin versorgt rund um die Uhr privat und kassenversicherte Patienten, die aus gesundheitlichen Gründen keinen Arzt aufsuchen können oder nachts, am Wochenende oder an Feiertagen dringend medizinische Hilfe benötigen. Rund 320 Ärzte – überwiegend Allgemeinmediziner oder Internisten – beteiligen sich daran. Kinderärzte sind nicht im Einsatz. (all)

„Alle Beteiligten profitieren von dem System“, sagt Schmidt-Traub. Die Klinikärzte würden durch die Praxis entlastet und könnten sich mehr Zeit nehmen für die schweren Fälle. Für Patienten mit harmloseren Verletzungen oder Krankheiten wiederum verkürze sich die Wartezeit. Nach einer bis anderthalb Stunden könnten die meisten das Krankenhaus wieder verlassen. Die Ärzte in der Praxis hätten wiederum die Möglichkeit, auf die Hilfe der Klinikkollegen zurückzugreifen, sollte sich ein Fall doch als schwerwiegender erweisen.

Rund ein Viertel der Patienten, die am Wochenende ins Unfallkrankenhaus Marzahn kommen, seien keine Notfälle, schätzt Schmidt-Traub. Ernst nehme man diese Patienten trotzdem. „Sie haben eben zu dem Zeitpunkt ein Bedürfnis, einen Arzt zu sehen.“

Es gibt verschiedene Erklärungen, warum mehr Menschen als früher die Rettungsstellen aufsuchen. „Aus unserer Sicht liegen die Ursachen an der immer noch zu niedrigen Bekanntheit unserer Angebote“, sagt Burkhard Ruppert, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KV Berlin. Der ärztliche Bereitschaftsdienst, der zu den Menschen nach Hause kommt, ist bisher unter der Rufnummer 310031 erreichbar. Er soll in Zukunft auf die bundesweit einheitliche Nummer 116117 umgestellt werden.

Am 2. April geht es los

Mitarbeiter in Krankenhäusern nennen noch andere Gründe für die vielen Patienten in den Notaufnahmen. Subjektiv würden manche eine Erkrankung als Notfall empfinden, auch wenn es aus medizinischer Sicht keiner sei. Andere wollten im Job nicht fehlen – und setzten sich deshalb lieber am Wochenende in die Rettungsstelle, als an einem Wochentag zu einem niedergelassenen Arzt zu gehen.

Für niedergelassene Ärzte mit einer eigenen Praxis ist der Dienst am Wochenende in der Klinik zusätzliche Arbeit. Die KV Berlin schreibt die Mediziner an und bittet sie, sich für Schichten in den Krankenhäusern einzutragen. Damit der Einsatz für die Ärzte attraktiver werde, versuchten sie, bei der Vergütung nachzubessern, sagt eine KV-Mitarbeiterin.

Bei der neuen Notdienstpraxis am Jüdischen Krankenhaus sei es ein Netz von Medizinern aus der Nachbarschaft, die sich für ihren Kiez verantwortlich fühlten und den Dienstplan selbst organisierten, berichtet sie. Die Praxis soll am Mittwoch und Freitag sowie an den Wochenenden und Feiertagen geöffnet sein. Am 2. April geht es los.

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