Zutrittsverbot für Journalisten: Schlechtes Klima im Camp
In einem Lausitzer Protestlager kämpfen Kohlegegner gegen Vattenfall – und gegen eine vermeintlich einseitige Medienberichterstattung.
KERKWITZ taz | Der ganz große Widerstand muss sich noch formieren. Bereits seit dem Wochenende läuft das „Lausitzer Klima- und Energiecamp“ gegen neue Braunkohletagebaue in der Region. Doch bislang zelten nur rund 100 Klimaschützer im brandenburgischen Kerkwitz – das Dorf soll für den Tagebau Jaenschwalde Nord abgerissen werden.
„Die Energiewende muss von der Basis ausgehen“, sagt die Teilnehmerin Rosemarie Kracheel. Das Camp setze auf „Vernetzung“ gegen Vattenfall, den schwedischen Konzern, der Braunkohle fördern will. Auf dem Programm stehen neben Kundgebungen und Workshops auch eine acht Kilometer lange Menschenkette zwischen dem deutschen und dem benachbarten polnischen Kohlerevier. 5.000 Menschen werden am Samstag erwartet.
Die Kohlegegner kämpfen jedoch nicht nur gegen Vattenfall, sondern auch gegen angeblich schlechte Presse. Sie erklärten deshalb Journalisten des RBB und der taz zu unerwünschten Personen. Zum Auftakt des Camps hatte der RBB einen Beitrag im Regionalmagazin „Brandenburg aktuell“ ausgestrahlt. Darin heißt es unter anderem, es seien „weniger Mitstreiter der Kohlegegner erschienen als erwartet“. Auf den Zeltplätzen herrsche „gähnende Leere“.
„Tendenziös“ fanden das die Klimaschützer – und schrieben einen Brief an RBB-Intendantin Dagmar Reimer. Es sei unerwähnt geblieben, dass die Zeltplätze größer ausgelegt seien, um die Menschenketten-Besucher aufnehmen zu können. Zwischen Vattenfall und dem Klimacamp herrsche „keine Gleichheit der Mittel, Vattenfall verfügt über wesentlich größeren finanziellen und politischen Einfluss“. Deshalb müsse wenigstens der öffentlich-rechtliche Rundfunk auf „ausgeglichene und gerechte Berichterstattung“ achten.
Wie die PR-Strategie von Vattenfall
„Die haben auch einen Satz unseres Sprecher gesendet, der so den falschen Eindruck erweckt, dass das Camp nicht von der lokalen Bevölkerung mitgetragen wird“, sagte eine Sprecherin der Camp-Pressegruppe. „Das ist haargenau die PR-Strategie von Vattenfall.“ Die Pressegruppe habe darum gebeten, dass künftig andere RBB-Journalisten über das Camp berichten.
RBB-Sprecher Justus Demmer bestätigte, dass es insgesamt drei Beschwerden der Organisatoren gegeben habe. „Da trifft dann Pressefreiheit auf Meinungsfreiheit“, sagt Demmer. Der Sender habe auf die Aufforderung, die Berichterstattung in andere Hände zu geben, „nicht reagiert“. Über die Menschenkette würden die Redakteure berichten, die der Schichtplan vorsieht.
Auch taz-Energieredakteur Ingo Arzt soll nicht auf das Camp. „Der darf hier nicht hin“, sagte eine Vertreterin der Pressegruppe. Arzt hatte zwar nicht über das Camp berichtet, sei aber „insgesamt“ zu kohlefreundlich. An welchen konkreten Berichten die Kohlegegner Anstoß nehmen, wollten sie nicht sagen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei