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Zusammenstöße am TempelbergPalästinenser in Jerusalem erschossen

Nach dem Tod zweier israelischer Polizisten nehmen die Spannungen weiter zu. Am Freitag wurden bis zu 200 Menschen verletzt.

Die israelische Polizei setzte am Freitag Tränengas ein Foto: ap

Jerusalem taz | Die Unruhen am Tempelberg in der Altstadt von Jerusalem spitzen sich weiter zu. Bei schweren Straßenkämpfen nach dem Freitagsgebet sind drei Palästinenser erschossen worden. Bis zum frühen Abend wurden in Jerusalem und an verschiedenen Brennpunkten im Westjordanland rund 200 Verletzte gemeldet.

Am Vormittag hatten sich Tausende Gläubige zum Gebet vor verschiedenen Toren der Altstadt versammelt. Die Polizei entschied, muslimischen Männern unter 50 den Zugang zu verwehren. Gleich nach dem Gebet am Mittag warfen Demonstranten Flaschen und Steine auf die Grenzpolizei, die mit einem Sonderaufgebot in voller Kampfausrüstung die gesamte Region bewachte und mit Rauchbomben und Tränengas die Menge auseinandertrieb.

Im Zentrum des aktuellen Konflikts stehen Metalldetektoren, die die israelischen Sicherheitskräfte an Zugängen zum Tempelberg aufstellten, nachdem am vergangenen Freitag bei einem Attentat mit Schusswaffen zwei Polizisten und drei Angreifer getötet worden waren. Die muslimischen Religionshüter der Wakf, die im Auftrag Jordaniens die Verwaltung der heiligen Stätte innehat, der Großmufti von Jerusalem Mohammed Ahmad Hussein sowie israelische arabische Politiker protestierten gegen diese „Verletzung des Status quo“. Sie riefen Gläubige aus der Umgebung Jerusalems auf, das Freitagsgebet nicht in ihren lokalen Moscheen abzuhalten, sondern zur Altstadt zu kommen.

Die künstlich erzeugte Krise gerät zunehmend außer Kontrolle. Metalldetektoren sind keine ungewöhnliche Sicherheitsmaßnahme in Israel, es gibt sie an Einkaufszentren, Museen und auch an der Klagemauer, der für Juden wichtigsten Pilgerstätte.

Der aufgeregte Protest der Religionshüter und der palästinensischen Führung in Ramallah hat nicht nur mit Israel zu tun. Er dient Palästinenserpräsident Mahmud Abbas auch dazu, innenpolitisch gegenüber der Hamas zu punkten.

„Tag des Zorns“

Die Fatah hatte zu einem „Tag des Zorns“ aufgerufen aus Protest gegen die Metalldetektoren am Tempelberg, wo schon kleinsten Veränderungen dramatische symbolische Bedeutung zukommen kann. Laut Bericht der palästinensischen Nachrichtenagentur WAFA seien mehrere Fatah-Vertreter, darunter der frühere Minister für Jerusalem-Angelegenheiten und der Jerusalemer Fatah-Generalsekretär, verhaftet worden.

Israels Sicherheitskabinett hatte nach mehrstündigen nächtlichen Beratungen Freitagfrüh entschieden, den Empfehlungen der Polizei nachzukommen und die Metalldetektoren beizubehalten. Laut Berichten mehrerer israelischer Tageszeitungen habe der inländische Nachrichtendienst Shin Beth eine andere Meinung vertreten und dazu geraten, die Metalldetektoren zu entfernen. Die Geheimdienstler begründeten demnach, der Zorn über die Sicherheitsmaßnahme könne so schwerwiegende Konsequenzen haben, dass letztlich wenig gewonnen wäre.

Laut dem israelischen Hörfunk hatten nur „einige Dutzend Gläubige“ die Kontrolle an den Zugängen zum Tempelberg über sich ergehen lassen, um in der Al-Aksa-Moschee beten zu können. Das Sicherheitskabinett autorisierte die Polizei vor Ort, im Einzelfall zu entscheiden, wer durch die Detektoren gehen muss. Der Abgeordnete Jamal Sahalka von der arabisch-anti­zionistischen Vereinten Liste erklärte Regierungschef Benjamin Netanjahu „verantwortlich für jegliche Unruhen“. Umgekehrt zitierte das Nachrichtenportal Walla Sicherheitsoffiziere, die arabische Knessetabgeordnete beschuldigten, „die Massen zu mobilisieren“, wenn sie erklärten, die Metalldetektoren brächten den Status quo in Gefahr.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte sich wiederholt zum Festhalten an der seit 1967 bestehenden Regelung verpflichtet, die Juden zwar Besuchsrechte auf dem Tempelberg einräumt, das Gebet hingegen nur muslimischen Gläubigen erlaubt. Israel ist laut Status quo für die Sicherheit auf dem Tempelberg verantwortlich, die Wakf für die religiösen Angelegenheiten. Das Weiße Haus appelliert unterdessen an beide Seiten, „sich anzustrengen, um die Spannungen zu reduzieren und eine Lösung zu finden“.

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