kritisch gesehen
: Zurück im Dorf, in dem die Nazis wohnen

Wir sind wieder da, wo wir eben ergriffen und auch ein wenig atemlos ausgestiegen waren: sind wieder in Kronsnest, in der norddeutschen Marsch. Es hat sich manches getan, seit wir das fiktive Dorf Ende der 1920er verlassen haben, wo sich die Nationalsozialisten langsam festsetzen und nicht mehr weichen werden, von Florian Knöppler in seinem Romandebüt „Kronsnest“ meisterhaft und im besten Sinne klassisch spannend erzählt.

Nun, in „Habichtland“, dem Nachfolgeband, hat Hannes zwei Kinder mit Lisa, die wir mit ihm zusammen hatten kennenlernen dürfen. Mit Lisa, der Eigensinnigen, die jetzt so oft des Abends mit dem Fahrrad in die nahegelegene Kleinstadt Elmshorn unterwegs ist, wo am nächsten Morgen Flugblätter gefunden werden und man nach denen sucht, die sie verteilten. Kaum noch redet Lisa mit Hannes, der sich aus allem raushalten will, ein zurückgenommenes Leben führen, was aber schwieriger werden wird: Hannes soll stellvertretender Ortsbauernführer werden; ihm, der von hier kommt, der das Leben zwischen Marsch und Geest in sich trägt, werden die Bauern womöglich mehr von dem erzählen, was sie denken und an was sie zweifeln – und die Partei wüsste dann, welche Maßnahmen zu ergreifen wären. Kann er sich dieser Aufgabe entziehen? Oder kann er umgekehrt in dieser Position in das Dorfgeschehen korrigierend bis rettend eingreifen?

Wieder ist da dieser so klar erzählende Blick auf die Landschaft mit den tiefsitzenden Wolken und den Entwässerungsgräben, die die schweren Äcker durchziehen. Wieder ist da dieser so sichere Umgang mit einem Figuren-Ensemble aus Gutherzigen, Zweifelnden und Finsteren, ohne je ins Klischee zu fallen. Und wieder ist da dieser knappe, tatsächlich erdige Ton: Man fliegt durch die Seiten, auch weil es ist, als wäre man nie weg gewesen aus Kronsnest.

Florian Knöppler will sich in seinem nächsten, dann dritten Roman anderen Zeiten und damit anderen Personen widmen und den Weg in eine neue Welt einschlagen. Das ist ihm selbstverständlich zu gönnen, ach!, mehr als das. Obwohl – wie es weitergeht mit Hannes und Lisa und Kronshorst, das wir zurücklassen nach dem Jahreswechsel von 1941 auf 1942, ist es zu viel verlangt, wenn uns das einer erzählen soll, der das einfach wuchtig gut kann? Frank Keil

Florian Knöppler: „Habichtland“, Pendragon Verlag, Bielefeld, 2022, 314 Seiten, 24 Euro