Zur Terroristenbekämpfung: Polizei kriegt Kriegswaffen
Mit Blick auf mögliche Feuergefechte mit Terroristen will Hamburg die Polizisten mit Sturmgewehren und besserer Schutzausrüstung ausstatten.
HAMBURG taz | Mit dem Schrecken der Anschläge in Frankreich im vergangenen Jahr im Nacken will Hamburg nun seine Polizei aufrüsten. Das Land hat zusammen mit Bremen einen Auftrag für 163 Sturmgewehre ausgeschrieben, 33 davon sind für Bremen. Außerdem will Hamburgs rot-grüner Senat bessere Schutzwesten und Helme besorgen.
Die Waffen, die eigentlich für Kriege konzipiert sind, werden „im Rahmen einer Neukonzeption Terror“ beschafft. Nähere Auskünfte wollte die Polizei aber nicht erteilen, da es um einsatztaktische Fragen gehe. Gegenwärtig werde geprüft, welche der angebotenen Waffen den Anforderungen der beiden Länderpolizeien genügten.
Die Bremer Innenbehörde erklärte auf Anfrage der Neuen Osnabrücker Zeitung, die neuen Gewehre sollten altersschwache Waffen ersetzen. Die Bestellung habe „nichts mit der real vorhandenen Terrorgefahr zu tun, die für Deutschland besteht“.
Die Hamburger Polizei ist bisher im Wesentlichen mit Pistolen und Maschinenpistolen ausgestattet. „Wir müssen uns aber auf unsere Gegenüber einstellen“, sagt Joaachim Lenders, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) in Hamburg. Und die effektive Kampfentfernung selbst der Maschinenpistolen liegt nur bei einem Drittel des effektiven Wirkungsbereichs des von Terroristen gern verwendeten und weit verbreiteten Sturmgewehrs AK47 (Kalaschnikow). Außerdem ist die Durchschlagskraft der Maschinenpistole wesentlich geringer als die einer Kalaschnikow.
Bei einem Gefecht mit den Terroristen, die die Satire-Zeitschrift Charlie Hebdo in Paris überfielen, hätte die Polizei mit ihrer herkömmlichen Bewaffnung also schlechte Chancen gehabt. „Bisher galt es als unwahrscheinlich, dass derartige Waffen zum Einsatz kommen würden“, sagt Lenders. „Polizisten müssen bereit sein, ihr Leben einzusetzen, aber nicht so töricht, dass wir wie die Karnickel abgeschossen werden.“
Auch Gerhard Kirsch, Hamburg-Chef der Gewerkschaft der Polizei (GDP), findet es richtig, diese neuen Waffen zu beschaffen – auch wenn sie den Polizisten bei Charlie Hebo vor Ort seiner Ansicht nach gar nichts genützt hätten, weil sie auf einen solchen Anschlag nicht vorbereitet gewesen seien. Die neuen Sturmgewehre seien für Spezialeinheiten zur Terrorbekämpfung gedacht, wie Hamburgs Mobiles Einsatzkommando (MEK). Wie die Anschläge der jüngsten Zeit gezeigt hätten, könne es Situationen geben, wo diese sich Feuergefechte mit schwer Bewaffneten liefern müssten, sagt Kirsch.
Die Innenminister der Länder hatten sich schon vor gut einem Jahr damit auseinandergesetzt, ob und wie die Polizei aufgerüstet werden müsse. Rheinland-Pfalz preschte voran und investierte n2015 rund 1,6 Millionen Euro. Nach den Anschlägen von Paris habe sich die Hamburger Polizei „eingehend mit Optimierungsmöglichkeiten der Ausstattung im Hinblick auf terroristische Bedrohungsszenarien befasst“, teilte der Senat in einer Antwort an Lenders mit, der auch CDU-Bürgerschaftsabgeordneter ist. Im November habe sie beschlossen, bessere Ausrüstung zu beschaffen.
Joachim Lenders
Dazu gehören nicht nur Waffen, sondern auch Schutzkleidung wie Helme, Splitterschutzvisiere und Westen. Die üblichen Schutzwesten der Klasse eins helfen nur gegen Pistolenmunition des Standardkalibers neun Millimeter. Zum Schutz gegen den Beschuss mit Sturmgewehren wäre die Klasse vier erforderlich.
In der großen Ausführung seien diese Westen 30 Kilogramm schwer, sagt Kirsch. Darin könne man sich kaum bewegen. Er hielte es für sinnvoller, Westen nur für den Oberkörper zu kaufen. Die wögen bloß sieben Kilo und könnten flexibler eingesetzt werden.
Sie könne nicht beurteilen, welche Ausrüstung für die Terrorabwehr geeignet sei, sagt die für Inneres zuständige Bürgerschaftsabgeordnete der Hamburger Grünen, Antje Möller. Der Einsatz der Waffen müsse auf besondere Gefährdungslagen beschränkt bleiben und verhältnismäßig sein. „Bei einer derartigen Aufstockung erwarte ich, dass das nicht zum täglichen Erscheinungsbild der Polizei gehören wird“, sagt Möller.
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