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Zum Widerständler stilisiert

■ Eine Ausstellung in Marzahn zeichnet die politische Geschichte der Gedenktafeln nach. In der DDR wurde die jüdische Herkunft der Opfer oft verschwiegen

Arno Phillippsthal ist in Marzahn fast vergessen. Nur eine kleine Gedenktafel in der Oberfeldstraße erinnert an den Arzt, der kurz nach der Machtergreifung 1933 von den Nationalsozialisten ermordet wurde. Auf der 1952 angebrachten Tafel wird Phillipsthal als Widerstandskämpfer geehrt. Nicht zu lesen ist, daß der prominente Arzt Jude war und deshalb bei den ersten Boykottaktionen der Nazis gezielt verleumdet und in der SA-Kaserne in der Papestraße ermordet wurde. Die Metalltafel für Phillipsthal ist eine von über 200 Gedenktafeln, die ab heute in Zusammenarbeit mit dem Aktiven Museum im Heimatmuseum Marzahn in einer Fotoausstellung zu sehen sind.

Der bisher umfassendste Überblick der Berliner Gedenk-Topographie dokumentiert nicht nur zahlreiche dezentrale Gedenkorte in allen Bezirken, sondern erläutert auch die verschiedenen Intentionen des Gedenkens im gespaltenen Berlin. So ist die Tafel für Phillipsthal typisch für die DDR-Gedenkkultur der fünfziger Jahre: Häufig erwähnten die Denkmalsetzenden nicht, daß die Opfer Juden waren, oder diese wurden zu Widerstandskämpfern stilisiert, obwohl sie wie der Marzahner Arzt gar nicht politisch engagiert waren. „Damit sollte der Gründungsmythos der DDR, die Zerschlagung des Faschismus, verdeutlicht werden“, sagt Martin Schönfeld vom Aktiven Museum.

Genauso anschaulich zeigt die Dokumentation, wie im Westteil der Stadt Gedenk-Politik betrieben wurde. In den fünfziger Jahren überlagerte der Kalte Krieg das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus: Bereits 1951 war ein Monument für die Opfer des Stalinismus aufgestellt worden. Erst zwei Jahre später wurde diesem eine Gedenktafel für die Nazi- Opfer hinzugefügt. Mitte der Achtziger wurden dann auch die Opfer berücksichtigt, die zuvor ideologisch Ostberlin zugeordnet wurden, wie Bertolt Brecht, Anna Seghers und Egon Erwin Kisch.

Seit dem Mauerfall sind im Ostteil der Stadt vielfach „Leerstellen“ entstanden: 36 Gedenktafeln wurden entfernt oder zerstört. „Das war größtenteils politisch motiviert“, resümiert Martin Schönfeld. So ist am Rande der Vereinigungsfeierlichkeiten am 3.Oktober 1990 eine Gedenktafel für zwei in den letzten Kriegstagen ermordete Deserteure am S-Bahnhof Friedrichstraße von Unbekannten gestohlen worden. Häufig haben aber auch die neuen Hausbesitzer die Tafeln ganz einfach abgenommen: „Die Eigentümer waren offensichtlich der Meinung, daß mit dem Ende der DDR auch das Gedenken für die Verfolgten des NS-Staates erledigt sei.“

Obwohl es mittlerweile rund 500 Gedenktafeln für die Opfer des Nationalsozialismus in Berlin gibt, sei die Stadt mit rund 10.000 Straßen verglichen mit den Metropolen Paris, Warschau und Wien insgesamt „ungeheuer gedenktafelarm“, hat die Geschäftsführerin des Aktiven Museums, Christiane Hoss, festgestellt. Das läge vor allem an dem fehlenden „Geschichtsbewußtsein der Berliner“, aber auch am bürokratischen Aufwand. So kann eine Gedenktafel nur dann aufgehängt werden, wenn der Eigentümer des Hauses einwilligt. Aufgrund der ungeklärten Eigentumsverhältnisse im Ostteil würden viele Gedenktafelprojekte hinausgezögert. Julia Naumann

Die Ausstellung wird heute um 17 Uhr im Heimatmuseum Marzahn, Alt Marzahn 23, eröffnet und ist bis zum 10. 11. dienstags und donnerstags von 10 bis 16 Uhr und sonntags von 14 bis 18 Uhr zu sehen.

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