Zum Tod von Celeste Martins Caeiro: Das Gesicht der Nelkenrevolution
Die Portugiesin verschaffte der Nelkenrevolution ihren Namen. Jetzt ist sie im Alter von 91 Jahren verstorben.
![Celeste Caeiro ist eine alte Dame mit Brille, sie hält einen Nelkenstrauß Celeste Caeiro ist eine alte Dame mit Brille, sie hält einen Nelkenstrauß](https://taz.de/picture/7361782/14/37047150-1.jpeg)
Es war ihre Art, von Celeste Martins Caeiro Abschied zu nehmen, deren Leichnam von einer innerstädtischen Kirche auf den Friedhof überführt wurde. Die bescheidene Frau, die am Freitag im Alter von 91 Jahren an Atembeschwerden verstorben war, kennt in Portugal jeder. Sie war es, die mit einer Geste jener Revolution den Namen gab: Nelkenrevolution.
Caeiro arbeitete in einem Selbstbedienungsrestaurant in Lissabon, das an jenem 25. April 1974 den ersten Jahrestag feierte. Ihr Chef hatte Nelken gekauft, um jedem Kunden eine auf den Tisch zu legen. „Als ich zur Arbeit kam, schickte er uns angesichts der Armee auf den Straßen nach Hause“, erinnerte sich Caeiro in zahlreichen Interviews. Sie nahm einen Schwung Nelken mit. Auf dem Heimweg fragte sie die Soldaten, was sie vorhatten.
Den Diktator Marcelo Caetano verhaften, antwortete einer und bat um eine Zigarette. „Ich rauchte nicht. Um ihm irgendetwas zu geben, schenkte ich ihm eine Nelke“, so die Erzählung von Caeiro. Der Soldat steckte die Pflanze in seinen Gewehrlauf. Seine Kameraden taten es ihm nach. Die Bilder dieser Soldaten, die tatsächlich der seit 1926 andauernden Diktatur ein Ende setzten, gingen um die Welt. Der Name „Nelkenrevolution“ war geboren.
Alleinerziehend, Arbeiterin, Kommunistin
Aus Celeste Martins Caeiro wurde „Celeste dos Gravos“, die „Nelken-Celeste“. Sie lebte ein einfaches Leben. Die 1933 geborene war Tochter einer Einwanderin aus der benachbarten spanischen Region Galizien und eines portugiesischen Vaters. Als dieser ihre Mutter verließ, wuchs Caeiro in unterschiedlichen Heimen auf. Sie ging auf eine Krankenschwesterschule. Doch den Beruf übte sie aus gesundheitlichen Gründen nie aus.
Stattdessen arbeite Caeiro in Geschäften und Restaurants, wurde selbst zur alleinerziehenden Mutter, verlor ihr spärliches Hab und Gut bei einem Brand. Bis zu ihrem Tod musste Caeiro mit 370 Euro Rente über die Runden kommen. Für ihr Hörgerät hatten Genossen eine Sammlung organisiert.
Celeste Caeiro war ihr Leben lang Mitglied der Kommunistischen Partei. Ersten Kontakt mit dem Widerstand gegen die Diktatur bekam sie als Jugendliche im Hause ihres Onkels in Südportugal. Bald schon hatte sie auch in Lissabon Kontakte. Sie arbeitete in einem Tabakladen, in dem unterm Ladentisch Literatur gegen den „Neuen Staat“ – wie die Diktatur offiziell hieß – vertrieben wurde. In ihrer Freizeit besuchte sie immer wieder Gerichtsverfahren, etwas, was ihren Widerstandswillen bestärken sollte.
Armee veröffentlicht Nachricht für Caeiro
Trotz ihrer Bekanntheit wurde Caeiro kaum offiziell ausgezeichnet. Erst vor wenigen Monaten bekam sie die Ehrenmedaille ihrer Heimatstadt Lissabon. Der Stadtrat beschloss, eine Straße, einen Platz oder eine Einrichtung nach ihr zu benennen. Das wird Caeiro, die bei der Gedenkdemonstration am diesjährigen 25. April – dem 50. Jahrestag der Nelkenrevolution – ihren letzten öffentlichen Auftritt hatte, nicht mehr miterleben. Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa will sie jetzt posthum ehren.
Die portugiesische Armee veröffentlichte eine Trauernachricht für die Frau, deren „Erbe in der Geschichte und Erinnerung von uns allen lebendig bleiben wird“. Auf den offiziellen Seiten der portugiesischen Armee und in den sozialen Netzwerken heißt es: „Celeste Caeiro wurde mit einer scheinbar einfachen Geste zum Symbol einer Bewegung, die Portugal für immer veränderte.“
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