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Zum Tod des Rappers XatarDer wahre Baba

Giwar Hajabi alias Xatar hatte das, was im Hip-Hop mehr wiegt als Gold: Glaubwürdigkeit. Ein viel zu früher Nachruf.

Er iz nicht mehr da: Der Rapper Xatar Foto: IMAGO/Christoph Hardt

Berlin taz | Giwar Hajabi hat in seinem Leben immer beherzt zugegriffen, nur Ruhe gönnte er sich nie. Xatar, wie er sich nannte, steckte mit jedem Zeh in Geschäften, die er im Dunstkreis des Hip-Hop auftat: So wurde aus dem Musiker, Labelchef und Cannabisunternehmer zuletzt auch ein Mann, der tiefgekühlte Köftespieße im Supermarkt verkaufte. Ein Hustler, geprägt durch das Rap-Game der USA Mitte der 90er-Jahre, als Geld den Musikmarkt flutete und Protz und Bling Bling auch die Künstler in Deutschland träumen ließen.

Xatar war einer der wenigen wirklich schillernden Gestalten im deutschen Hip-Hop. Mit Slogans wie „Baba aller Babas“ und „Iz da“ prägte er die Sprache einer Generation. Musikalisch orientierte sich der Rapper aus Bonn am G-Funk der US-Westcoast und Künstlern wie Dr. Dre, Snoop Dog und Warren G.

Xatar wusste es, mit seinen Aktionen gleichzeitig für Anerkennung, Ablehnung und Sprachlosigkeit zu sorgen. Sein Name, kurdisch für „Gefahr“, hat Legendenstatus: 2009 nahm er verkleidet als Polizist mit Kollegen einen Goldtransporter aus. Dabei beschuldigten sie den Fahrer, Steuern hinterzogen zu haben und fingierten seine Festnahme. Sie brannten mit der Ware durch, wurden ertappt und setzen sich ab: Xatar floh in den kurdischen Teil Iraks, wo ihn deutsche Zielfahnder schnappten. Von der Beute fehlt bis heute jede Spur.

Was drehbuchreif klingt, ist längst ein Film. Der Regisseur Fatih Akin setzte 2022 mit „Rheingold“ Xatar ein visuelles Denkmal und verschaffte ihm Bekanntheit über die Grenzen des Rap hinaus. Als Musiker hatte Xatar in seinen Songs das Storytelling perfektioniert und übertrug es auf andere Geschäftsbereiche. Goldraub, Flucht und die achtjährige Knaststrafe brachten ihm das, was im HipHop mehr wiegt als Gold: Glaubwürdigkeit.

Neulich sagte er noch: „Jetzt zu sterben wäre scheiße.“

„Du willst mehr als nur reich sein/Dein Feind ist deine eigene Machtgeilheit“, rappte er über sich selbst auf dem Album „Alles oder nix“ aus dem Jahr 2008. Er nahm den Slogan als Lebensmotto, ein Jahr zuvor hatte er ein gleichnamiges Label gegründet. In dieser Zeit versank er weiter in der Kriminalität; Schulden in der Unterwelt trieben ihn laut eigenen Angaben zum Überfall auf den Goldtransporter. „Der Knast war gut für mich. Ich war ein bisschen wild unterwegs“, sagte Xatar Anfang April im Podcast mit dem Berliner Comedian Kurt Krömer.

Xatars Eltern, Intellektuelle und Widerstandskämpfer aus den kurdischen Gebieten im Iran, fliehen Anfang der 1980er-Jahre mit ihrem damals dreijährigen Sohn nach Europa. Über Paris gelangten sie nach Bonn, wo der Vater seine Karriere als Komponist fortsetzen wollte. Doch es kommt anders, die Familie zerbrach. Um dem Sumpf im Hochhausviertel Brüser Berg zu entfliehen, setzte Hajabi auf Musik und das Ticken von Drogen. Der kurdische Befreiungskampf blieb eine Konstante in seinem Leben, Xatar widmete dem Thema mehrere Songs.

In dem Podcast mit Krömer erzählte Xatar: „Jetzt zu sterben wäre scheiße.“ Er wolle mehr Zeit mit seinen Kindern verbringen, die er wegen der Arbeit am Film und der Musik vernachlässigt habe. Er sei glücklich seine Erfahrungen gemacht zu haben, auch die schlechten. „Es bringt mich näher an irgendwas, von dem ich nicht weiß, was es ist.“ In dem Podcast klingt es, als hänge Xatar am Leben und sei nach Jahren der Wirrungen auf der Suche nach Ausgleich und Ruhe.

Am Freitag wurde Xatar überraschend und unter bislang ungeklärten Umständen tot in einer Wohnung in Köln aufgefunden. Er wurde nur 43 Jahre alt.

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