Zum 80. Jahrestag der Wannseekonferenz: Lerne lachen, ohne zu vergessen
Hadasa und Clila Bau sind mit Erinnerungen an die Shoah aufgewachsen – und sie sangen gegen sie. Über ein besonderes Museum in Tel Aviv.
H adasa und Clila Bau können sich noch an das Weinen erinnern, als wäre es gestern. Es kam von ganz tief innen und geschah immer freitags. Dann nämlich, wenn die Frau, der das Weinen gehörte, in die Küche der Familie Bau in Giv’atajim, in der Nähe von Tel Aviv, kam. Dort hatte die Mutter von Hadasa und Clila ein provisorisches Kosmetikstudio eingerichtet. Kosmetikerin Rebekka Bau brachte nicht nur Hautunreinheiten ans Licht, sondern auch die Vergangenheit. Um schön zu sein, pflegte sie zu sagen, muss man alles herauslassen, auch den Kummer, der ganz tief sitzt.
Und so kam es, dass eine Klientin der Mutter von ihrer eigenen Vergangenheit erzählte: Von ihrer kleinen Tochter Dvoraleh, die Balletttänzerin war, gern gesungen habe und in der Shoah ermordet wurde. Dann weinte sie ihr ohrenbetäubendes Weinen, das Hadasa und Clila noch heute in ihren Ohren haben.
Diese Geschichte ist eine von vielen Erinnerungen, die die 66-jährige Clila und die 75-jährige Hadasa noch heute beschäftigen. Die beiden Schwestern gehören der sogenannten zweiten Generation an: Ihre Eltern Joseph und Rebekka Bau haben, wie die Besucherin des Konsmetikstudios ihrer Mutter, die Shoah überlebt. Die Erfahrung ihrer Eltern prägt auch die Töchter. Allerdings auf außergewöhnliche Art und Weise – und für Clila und Hadasa ist völlig klar: dank der besonderen Erziehung, die sie erfahren haben.
Anders als bei der überwältigenden Mehrheit der Überlebenden herrschte im Hause Bau kein Schweigen über die Erlebnisse ihrer Eltern in der Shoah. „Wir sprachen täglich darüber, aber es war nicht bedrückend. Im Gegenteil. Manchmal lagen wir vor lauter Lachen unter dem Tisch.“
„Das kennen wir nicht“, sagten sie in den 1990er Jahren auf einem Treffen von Angehörigen der zweiten Generation, als die anderen Kinder von Überlebenden erzählten, wie sie ihr Zuhause erlebt haben. „Ein Trauermantel hätte über allem gelegen“, hätten einige gesagt. Einige durften zu Hause nicht lachen. Manche hätten gesagt, ihr Zuhause sei wie ein Holocaust gewesen, andere sprachen davon, dass sie fühlten, dass es ein Geheimnis gab, das über allem hing und über das nie gesprochen wurde.
„Es ist nicht so, dass unsere Eltern nicht geweint hätten“, erklärt Clila: „Meine Mutter schrie oft in der Nacht, dass die Deutschen auf Pferden kämen, um sie umzubringen.“ Oft sei sie bei ihren Albträumen aus dem Bett gefallen.
„Aber unsere Eltern wussten gleichzeitig, dass Lachen, Musik und Singen das Allerwichtigste ist“, ergänzen sie.
Ihren Töchtern haben die Eltern von Kindesbeinen an einen Auftrag mitgegeben: „Wenn die Besucherin von ihrer ermordeten Tochter erzählte und weinte, rief unsere Mutter: ‚Hadasale! Komm her und singe uns ein lustiges Lied.‘“ Und Hadasa kam und sang Lieder, die sie selber geschrieben hatte. Kurz danach rief die Mutter Clila, damit sie Witze erzählte. Fast jeden Freitag, so erinnern es die Töchter, verließ die Klientin das Kosmetikstudio mit einem Lächeln.
Dass ein Plan dahintersteckte, ahnten die beiden damals nicht, erzählen die beiden Schwestern und lachen ihr helles Lachen: „Unser Vater sagte uns: ‚Hadasa, du schreibst Texte und Musik, und Clila, du erzählst Witze.‘“
Der Tag An diesem Donnerstag jährt sich zum 80. Mal der Tag, an dem Reinhard Heydrich zusammen mit Spitzen der NS-Bürokratie auf der Wannseekonferenz den Massenmord an den Juden organisierte. Teilnehmer waren Staatssekretäre, Vertreter der NSDAP, des Sicherheitsapparats und der Verwaltung der Ostgebiete.
Die Bedeutung Am 20. Januar 1942 war der Holocaust längst im Gang. Auf der Tagung besprach man Details der Vernichtung und diskutierte darüber, wer genau in das Mordprogramm fallen sollte und um wie viele Menschen es sich handelte. Das von Adolf Eichmann erstellte Ergebnisprotokoll der Konferenz gilt als Schlüsseldokument für den Holocaust.
Die Erinnerung Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erinnerte am Dienstag an die schrecklichen Folgen der Konferenz. „Dass sich Gleiches nicht wiederholt, das ist die Absicht jeder Erinnerung an die Verbrechen des NS-Staates“, sagte er. Er rief dazu auf, Widerstand zu leisten, wenn dies nötig wird. „Scheuen wir die Verantwortung nicht – auch nicht die, Nein zu sagen, wo es Recht und Mitmenschlichkeit gebieten.“ (taz, dpa)
Erst viel später verstanden sie, dass ihr Vater ihnen damit eine Rolle gegeben hatte. „Wir sollten Glück, Fröhlichkeit und Liebe in die Welt tragen, auch und vor allem in die Welt von Holocaust-Überlebenden.“ Mit Witzen und Liedern. „Die ganze Welt soll von uns lernen, was Fröhlichkeit bedeutet, in jeder Situation“, pflegten ihre Eltern zu sagen.
Das Joseph-Bau-Museum
Diesen Auftrag setzen die beiden Schwestern auch heute noch fort, lange nach dem Tod der Eltern. In den Räumen von Vaters ehemaligem Arbeitsstudio haben sie ihr „Joseph-Bau-Museum“ eingerichtet, versteckt in einer kleinen Straße im Zentrum Tel Avivs.
„Wer hat schon mal von Joseph Bau gehört?“, fragen die beiden eine Gruppe von Besucher*innen, die auf Klappstühlen in einem der zwei kleinen Räume des Museums Platz genommen hat. Aufgrund der Coronapandemie sind es nur Israelis. Tourist*innen sind seit fast zwei Jahren kaum mehr ins Land gekommen.
Die meisten schütteln den Kopf. Clila und Hadasa beginnen zu erzählen. Schnell wird klar: Joseph Bau war ein Multitalent.
Der 1920 im polnischen Krakau geborene Maler, Schriftsteller und Grafiker hat während der Shoah mit gefälschten Pässen andere Jüdinnen und Juden gerettet. In Israel avancierte er mit Zeichentrickfilmen zu einem prominenten Grafiker, entwarf zahlreiche Schriftarten für die hebräische Sprache, schrieb Bücher, Gedichte über Witzebücher bis hin zu Erinnerungen an die Shoah.
Dass er dennoch unbekannt geblieben ist, dürfte daran liegen, dass Joseph Bau außerdem zum Fälscher des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad wurde und sich fortan darum bemühte, kein Aufsehen zu erregen. Auch seine Signatur – drei großgeschriebene Buchstaben „BAU“ – ließ er weg, seitdem er 1950 gemeinsam mit seiner Frau nach Israel eingewandert war.
Laufpublikum empfangen Hadassh und Clila in ihrem kleinen Museum nicht, nur angemeldete Gruppen. „Kein Mensch würde sonst verstehen, was die Dinge hier bedeuten“, sagt Hadasa und zeigt auf die Wände. Über Joseph Baus Schreibtisch hängen überlebensgroße Fotografien von Joseph und seiner Frau Rebekka Bau. Ölgemälde mit Szenen aus der Shoah finden sich neben Karikaturen aus den frühen Jahren des Staates Israel. Von Joseph Bau verfasste Bücher stehen aufgereiht in den Regalen. Einige von ihnen haben Hadasa und Clila nach seinem Tod herausgegeben. Eines vereint in einer Schachtel die Tagebücher ihrer Mutter und Gedichte ihres Vaters, die er im Konzentrationslager Plaszow auf Zigarettenpapier geschrieben hat. Selbst dort hat er Wege gefunden, um seine Kreativität auszuleben.
Zeit für einen Witz ist immer
Zeit für einen Witz, sagt Hadasa etwas unvermittelt; und Clila setzt an und erzählt einen Witz, den ihr Vater sich ausgedacht hat. Wie so oft einer, in dem irgendwie Sex vorkommt. „Unser Vater erzählte uns, dass die Leute im Holocaust, wenn sie Selbstmord begehen wollten und er sie davor bewahren wollte, nicht über normale Witze gelacht haben. Nur wenn es dreckige Witze waren, lachten sie.“ Hadasa und Clila Bau haben noch heute ein Buch, in denen Joseph seine Witze notiert hat, die er sich im Konzentrationslager ausgedacht hat – allerdings ist jeweils nur die erste Zeile notiert, als Gedächtnisstütze.
Es läuft ab, wie sie es von ihrem Vater gelernt haben: Keine Geschichte ohne Witz und Lieder. „Wenn ich ein Lied geschrieben habe, ist unser Vater immer noch einmal drübergegangen und hat meistens noch ein bisschen Sex eingefügt.“ – „Damit’s lustiger ist“, ergänzt Clila.
Joseph Bau soll schon als kleiner Junge, Jahre vor dem Zweiten Weltkrieg, einen Schalk im Nacken gehabt haben. Er war wohl der Klassenclown, zeichnete Karikaturen von den Lehrern und unterhielt seine Mitschüler*innen mit Witzen. Auch später war er nur dann zufrieden, wenn Menschen über seine Witze lachten – Israels Staatsgründer David Ben Gurion eingeschlossen.
Hadasa und Clila erinnern sich, dass er sich fast jeden Mittag darüber beschwerte, dass Ben Gurion wieder nicht über seinen Witz gelacht hatte. „Irgendwann aber kam er nach Hause, klatschte in die Hände und rief: ‚Heute hat er gelacht!‘ Monatelang hat ihn das glücklich gemacht.“ Warum Joseph sein Büro in der Nähe von Ministerpräsident Ben Gurion unterhielt, wussten seine Töchter nicht, dachten sich auch nichts dabei.
Fälscher beim Mossad
Erst 2004, zwei Jahre nach dem Tod des Vaters, bei einer Ausstellungseröffnung in der Knesset über die hebräische Sprache, erfuhren die Schwestern, dass ihr Vater als Fälscher für den Mossad gearbeitet hatte und unter anderem die Pässe für Spione wie Eli Cohen, den berühmtesten Agenten Israels, gefälscht hatte. Cohen war damals undercover in Syrien unterwegs. „Jetzt im Nachhinein verstehen wir, warum er angefangen hat zu zittern, als er im Radio von Cohens Hinrichtung hörte“, sagt Hadasa.
Zum Abschluss der Führung durch ihr Museum singen sie noch ein Lied, ein aktuelles, geschrieben von Hadasa zu Beginn der Coronapandemie: „Alles wird gut sein. Nur lächeln und lachen. Wirf all den Schmerz in den Müll.“
„Für viele Menschen waren unsere Eltern so etwas wie Therapeuten“, erklären Clila und Hadasa: „Es gab ja keine Psychotherapeuten, keine Sozialarbeiter. Über Holocaust-Überlebende sagte man schlichtweg, dass sie verrückt sind“, erzählt Clila, nachdem die Besuchergruppe gutgelaunt das Museum verlassen hat.
Erst der Jerusalemer Eichmann-Prozess im Jahre 1961, bei dem über einhundert Überlebende Zeugnis ablegten, sorgte für einen langsamen Wandel innerhalb der israelischen Gesellschaft. Man begann, den Überlebenden zuzuhören. Und so waren Abende bei Joseph Bau auch bei den Kindern von Holocaust-Überlebenden beliebt: „Sie wussten, dass die Eltern dort über ihre Erlebnisse in der Shoah sprechen würden, und die Kinder brannten darauf, mehr von diesem tabuisierten Thema zu hören und von den Erlebnissen ihrer Eltern.“
Wie kommt es, dass es so anders im Hause Bau zuging? Schließlich lässt, so sollte man meinen, die Geschichte von Joseph und Rebekka Bau nicht viel Raum für Humor und Fröhlichkeit.
Eine furchtbare Geschichte der Verfolgung
Joseph Baus Vater wurde von dem berüchtigten SS-Offizier Franz Grün im KZ Plaszow vor Josephs eigenen Augen erschossen. Die Mutter ist in Bergen-Belsen umgebracht worden. Auch sein Bruder Izio hat die Shoah nicht überlebt. Nur der andere Bruder namens Marcel überlebte. Von der Familie Rebekka Baus überlebte nur ein Halbbruder.
„Unsere Eltern haben sich unendlich geliebt“, werden Clila und Hadasa nicht müde zu betonen: „Und sie glaubten an Wunder. Das hat ihnen geholfen.“ Hört man den beiden Schwestern bei der Rekonstruktion der Vergangenheit zu, scheint es tatsächlich so, als reihe sich ein Wunder an das nächste. Sie erzählen, wie Rebekka und Joseph sich im Konzentrationslager Plaszow kennenlernten und heimlich heirateten – ihre Hochzeit ist in Spielbergs Film „Schindlers Liste“ verewigt. Wie Joseph Bau eigentlich nach Auschwitz deportiert werden sollte, aber stattdessen sein Name auf der später berühmt gewordenen Liste Oskar Schindlers auftauchte und er in einer Fabrik von Schindler überlebte.
Erst Jahrzehnte später erfuhr er, dass seine Frau ihren Namen ausgestrichen und stattdessen seinen dort eingetragen hatte. Wie Rebekka Schindler als Kosmetikerin für die Nazis Auschwitz überlebte – und durch die Informationen, die sie an ihre Mitgefangenen weitergab, andere rettete. Wie sich die beiden nach dem Krieg auf der Suche nacheinander in einem polnischen Krankenhaus wiederfanden.
Und schließlich: Wie Rebekka trotz der medizinischen Experimente, die der berüchtigte SS-Offizier und Arzt Josef Mengele auch an ihr verübte, entgegen allen Voraussagen von Gynäkologen zwei Töchter zur Welt brachte: zuerst Hadasa, 1947 in Krakau. Dann, nach nachdem Joseph und Rebekka Bau 1950 nach Israel eingewandert sind, Clila. Nach ihrer Geburt im Jahr 1956 fiel Rebekka in ein mehrmonatiges Koma, die Ärzte sollen ihr keine Chance gegeben haben, doch dann bewegte sie erst ihren kleinen Finger, saß kurz danach im Bett und lebte weiter bis ins Jahr 1997.
Alles über die Eltern – wenig über die Schwestern
Die beiden Schwestern ergänzen sich in einem fort und stricken die Geschichte weiter. Es ist schwer, sie nicht als gemeinsame Stimme wahrzunehmen. Heute leben sie mit ihren Partnern in zwar getrennten Wohnungen, aber doch im gleichen Haus. Mit großer Sicherheit beantworten sie selbst simpel scheinende Fragen mit einer Geschichte. Und mit ebenso großer Sicherheit werden diese Geschichten am Ende von ihren Eltern Joseph und Rebekka Bau erzählen, sosehr man auch versucht, etwas über die zwei Schwestern selbst herauszufinden.
Mit etwas Mühe erfährt man dann doch, dass Hadasa Grafikdesign studiert hat und seit ihrem 18. Lebensjahr im Studio ihres Vaters mitarbeitete. Clila studierte Architektur und Ingenieurwesen. Sie lebten beide für eine Weile in Kanada, beide haben Kinder, und nicht alles in ihrem Leben ist glatt gelaufen.
Aber was am Ende hängen bleibt, ist dies: Als Clila erfuhr, dass es hart war für ihre Eltern, weil sie im Ausland lebte, packte sie die Koffer, nahm ihren Mann und kam zurück nach Israel. Vielleicht ist die Nähe, die Loyalität und die Verpflichtung, das Erbe ihrer Eltern aufrechtzuerhalten, auch auf ein Erlebnis ihres Vaters zurückzuführen.
Eine der zentralen Erzählungen im Familiengedächtnis ist die Erinnerung Joseph Baus, wie sein Vater von dem SS-Offizier Franz Grün erschossen wurde. „Erschieß auch mich“, wollte er rufen, doch ein Freund kam vorbei, hielt ihn mit beiden Armen fest und flüsterte ihm ins Ohr: „Wenn auch du stirbst, haben die Deutschen nur noch einen Juden umgebracht. Aber du bist Dichter und Maler. Du musst leben. Und erzählen, was passiert ist.“
1967 reiste Joseph Bau zum ersten Mal als Zeuge zu einem Gerichtsprozess in Deutschland gegen die Nazi-Täter. 1971 fuhr er nach Wien, um im Verfahren gegen Franz Grün, den Mörder seines Vaters, auszusagen. In Baus Erinnerungen, auf Englisch unter dem Titel „Dear God, have you ever gone hungry?“ veröffentlicht, beschreibt er Symptome von posttraumatischen Belastungsstörungen – ausgelöst dadurch, dass der Angeklagte seinen Gehstock auf ihn gerichtet habe, mit den Worten „Ich habe damals immer nur zufällig geschossen … so“. Oskar Schindler, zu dem Familie Bau auch nach dem Krieg ein enges Verhältnis unterhielt, kümmerte sich in der Zeit seines Krankenhausaufenthaltes in Wien um ihn.
Auch Rebekka Bau fuhr zu zahlreichen Gerichtsprozessen. „Es ist meine Pflicht“, sagte sie ihren Töchtern und ihren Nachbarn und Freunden, wenn sie sie davon abhalten wollten, angesichts dessen, was ihnen geschehen war.
„Die Arbeit gibt uns Energie“
Ist es manchmal schwer für die beiden Töchter, das alles zu tragen? Den Auftrag ihrer Eltern, die permanente Beschäftigung mit ihrer Vergangenheit?
„Im Gegenteil. Die Gegenwart ist hart, und wenn wir jetzt jeden Tag die Geschichte erzählen, dann machen wir das auch für uns“, antworten sie: „Es gibt uns Energie.“
Immer wieder kommen Menschen am Museum vorbei, zufällig oder geplant, die ihnen weitere Details über die Vergangenheit ihrer Eltern erzählen und ihr Wissen über die Vergangenheit noch ergänzen. Vor einigen Jahren kam der Sohn von Rebekka Baus einstiger Kundin vorbei, die immer so herzzerreißend geweint hatte. Sie plauderten ein wenig, dann erwähnten die Bau-Schwestern Dvoraleh, die Schwester des Mannes, die so gern gesungen habe, bevor sie ermordet wurde. Der Besucher stutzte, fragte, von welcher Dvoraleh sie sprechen. Er hatte, so erzählen Clila und Hadasa, keine Ahnung, dass er eine Schwester hatte, die in der Shoah ermordet worden war. Nur an den Freitagen, das wissen sie, sprach seine Mutter davon, während der Kosmetiksitzungen mit Rebekka Bau – und weinte dazu. Bis Clila und Hadasa ihre Witze erzählten und sangen.
Oft würden ihnen Freund*innen raten, das Museum zu schließen. Gerade jetzt in Pandemiezeiten, da so gut wie keine Tourist*innen ins Land kommen, ist es schwer für Hadasa und Clila, die Miete für die Räume zu bezahlen. Crowdfunding hat sie über einige Monate gebracht. Jetzt stecken sie ihre eigenen Ersparnisse in das Museum.
In Kürze soll das Gebäude abgerissen werden, in dem sich das Joseph-Bau-Museum befindet, und ein neuer Wohnkomplex soll dort gebaut werden. Den Schwestern wurde angekündigt, dort keine Räume mieten zu können. Für Hadasa und Clila wäre es eine Katastrophe. Und ganz sicher würde damit ein Museum der ganz besonderen Art von der Bildfläche verschwinden.
„Eigentlich bleibt uns nur ein Wunder“, sagen Clila und Hadasa sorgenvoll: „Noch ein Grund mehr, an sie zu glauben“, ergänzen sie. Und lachen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich