Zukunft deutscher Werften: Der Schiffbau funkt SOS
In Deutschland scheinen nur Spezialschiffe eine Zukunft zu haben. Das reicht für ein Viertel der Branche. Nun hofft sie, dass Umweltauflagen für neuen Schwung sorgen.
"Der Handelsschiffbau wird sich aus Deutschland verabschieden", warnt Herbert Aly. Er sollte es wissen. Denn Aly ist Chef der Hamburger Werft Blohm + Voss, die ThyssenKrupp im vergangenen Jahr zum Großteil an die Schiffbaugruppe Abu Dhabi Mar verkauft hat.
Insgesamt 18 Werften gibt es noch an der deutschen Nord- und Ostseeküste. 2009 konnten die Schiffbauer nicht einen einzigen neuen Auftrag in ihre Bücher schreiben, mehr als 60 ältere Order wurden storniert - ein Viertel des Auftragsbestandes. Die Produktion sank um 41 Prozent, obwohl im Weltschiffbau mit 3.477 abgelieferten Schiffen nochmals ein neuer Rekord aufgestellt wurde.
Der Niedergang kennt mehrere Gründe. Mit der staatlich aufgebauten Niedriglohn-Konkurrenz in China, Korea und Bangladesh konnten hiesige Werften im Massenschiffbau schon lange nicht mehr mithalten. Weil jedoch Reeder und Fondsinvestoren weltweit bis zur Krise jahrelang mehr Schiffe orderten als Kapazitäten in Asien frei waren, durften die deutschen Hersteller immer wieder einspringen. Viele Vorstände ließen sich von den Scheinerfolgen blenden.
Nun scheint drei Viertel der gesamten Schiffbaukapazität in Deutschland dem Untergang geweiht, auch wenn man das beim Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) 125 Jahre nach seiner Gründung nicht wahrhaben will: "Wir haben schon viele Krisen erlebt", macht sich VSM-Chef Werner Lundt Mut.
Aber auch im traditionsreichen Kriegsschiffbau konnten die deutschen Werften international laut VSM zuletzt nur "sehr wenige Aufträge" bekommen, meist U-Boote. Hier offenbart sich eine weitere Schwachstelle: Nicht allein der Protektionismus von Niedrigeinkommensländern führt zum Untergang der deutschen Werften, auch Missmanagement, Qualitätsrückstände und veraltete Produktionsverfahren tragen dazu bei.
Was bleibt, ist der Spezialschiffbau: Meyers Traumschiffe, Zollboote der 1635 gegründete Sietas-Werft und Brennstoffzellen-U-Boote von Thyssen-Krupp. "Die Guten überleben", versichert Professor Stefan Krüger, Branchenexperte an der Technischen Universität in Hamburg.
Die Arbeitnehmer hoffen auf einen von der Politik unterstützten Strukturwandel an der Küste, der den Fertigungsstätten andere Aufträge einbringt. "Schiffbauer können alles", tröstet sich ein Betriebsrat aus Niedersachsen. So boome doch beispielsweise die Offshore-Energie. TU-Experte Krüger findet das allerdings zu einfach gedacht: "Warum sollte eine schlechte Werft gute Windräder bauen?" Außerdem gebe es auch in diesen neuen Geschäften genug Konkurrenz: etwa Baukonzerne wie Hochtief und Züblin oder Energieversorger wie Eon.
Auch die Gewerkschaft IG Metall denkt um. Sie kämpft nicht für den Erhalt von Werften um jeden Preis, sondern um "eine industriepolitische Perspektive für die Standorte" Wismar und Rostock. Der VSM dagegen hofft auf rigide Umweltauflagen durch die Internationale Schifffahrtsorganisation IMO, die Ende März in London tagt. Immerhin sind die meisten der 37.836 Riesenfrachter, Fischfangschiffe und Luxusliner,die über die Weltmeere kreuzen, Dreckschleudern: Sie produzieren Millionen Tonnen CO2. Strikte Auflagen, so das Kalkül, würden den Schiffbau revolutionieren und den Werften neue Aufträge einbringen.
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