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Zukunft der KulturIst das Kunst oder kann das weg?

Mit Kulturförderung dürfte es demnächst finster aussehen. Das hat vor allem mit der CDU und ihrem Hang zum Rechtskonservatismus zu tun.

Unsexy: Berlin ohne Kunst Foto: Stefan Boness/Ipon

D as Verhältnis der Politik wie auch des Individuums zu Kunst und Kultur ist ein Indikator für den zivilisatorischen Zustand einer Gesellschaft. Diesbezüglich kann ich mir ruhig auch an die eigene Nase fassen: mit meinem ignoranten „Haha, das könnte ich/ein Dreijähriger/ein Schimpanse auch“ angesichts der berühmten Klebebanane „Comedian“ von Maurizio Cattelan, die beim Aktionshaus Sotheby’s für 6,2 Millionen Dollar hoffentlich nicht wörtlich unter den Hammer kam. „Wer das kommentiert, sollte es vielleicht erst mal einfach nur raffen“, sagt meine Frau dazu. Genau genommen fabriziere ich nämlich das gleiche uninspirierte Boomergeklöter wie die Berliner CDU. Nur, dass es dort viel schlimmere Konsequenzen hat.

Nach dem Motto „Ist das Kunst und kann das weg?“ wird von der neuen Landes­regierung gestrichen, was nicht bei drei von der Bühne ist. Der Kultur­etat ist der größte Einsparposten nach der Wohnraumförderung. Lummerland ist abgebrannt. Denn egal, wer ihr gerade vorsteht und welches Jahrzehnt wir schreiben, die Berliner CDU wird immer das gleiche Gespenst wie einst unter Diepgen, Lummer, ­Landowsky bleiben: Kalte Technokraten aus dem Reich der Finsternis vernichten mit der Kultur mal wieder das einzige Pfund, mit dem diese arme Stadt – mit einer kurzen eintausendjährigen Unterbrechung – seit über hundert Jahren wuchern kann.

Selbst öffentliche Bibliotheken sind betroffen – eigentlich könnten sie die Bücher gleich verbrennen. In die Theater kommt am besten irgendwas mit Autos rein. CDU is doing CDU things. Die SPD erweist sich einmal mehr als willfährige Steigbügelhalterin bei dieser Kulturrevolution von rechts.

Immerhin soll Weimer im Besitz eines veritablen Kulturbeutels sein

Hass auf Kultur, das Fahrrad, die Jugend, Kinder, Verkehrs­sicherheit und öffentlichen Nahverkehr. Verachtung für im Grunde alles, was sinnvoll ist oder auch nur nach dem kleinsten Glücksversprechen klingt. Hass auf Freude, auf Spiel, auf Intelligenz, auf Menschen und auf das Leben. Bald machen sie wieder Jagd auf Brillenträger. Da will natürlich auch der Bund nicht nachstehen. Der designierte Kulturstaatsminister Wolfram Weimer, rechtskonservativer Publizist, soll zwar im Besitz eines veritablen Kulturbeutels sein, doch er gilt darüber hinaus nicht als ausgewiesener Kulturexperte. Zur Abwicklung des Kulturbetriebs dürfte so einer gerade der Richtige sein.

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Uli Hannemann
Seit 2001 freier Schreibmann für verschiedene Ressorts. Mitglied der Berliner Lesebühne "LSD - Liebe statt Drogen" und Autor zahlreicher Bücher.
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13 Kommentare

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  • Vor dem Hintergrund der kulturellen und weltanschaulichen Einöde der herrschenden cDU/sPD-Regierung mal ein Frage an die berliner SPD-Gewählthabenden: war euch denn nicht klar, dass diese SPD mit dem Teufel selbst einen Pakt eingegangen wäre, um einen Voksentscheid in dem "Enteignen" vorkommt zu verhindern, also auch mit dem "immer gleichen Gespenst" der berliner CDU? Oder war es euch egal?

    Jetzt habt ihr den Salat und die Einöde, leider nicht nur ihr, sondern auch der Rest**.



    Jetzt geht nur noch Augen zu und durch und dann, bitte bitte, "abwählen bis zur Unkenntlichkeit" (Georg Schramm*).



    Oder Revolution.



    Oder, die Vernunft siegt (haha, eher friert die Hölle zu).



    Es bleibt noch auswandern oder Entleibung.

    * Georg Schramm, kurz nach der Abwahl der Mappus-CDU, erhält den Kleinkunstpreis im Europapark Rust und bringt die anwesende BaWü-CDU-Prominenz zum Kochen:



    »Eine Regierung, mit allen die da drin sitzen, die nicht in der Lage ist, einen Pflasterstein von einer Kastanie zu unterscheiden, hat nichts anders verdient, als in den Orkus der Bedeutungslosigkeit - leider bei hoher Pension - gestossen zu werden.«

    ** incl. CDU-Wählenden, auch wenn die den Schmerz anscheinend nicht spür

  • Die viel belächelte Hobbykunst-Tanzgruppe hat eine wichtige Funktion, selbst für Leute die sich für Kunsttanz-Performances nicht begeistern können. Denn die Tatsache, dass es das gibt, signalisiert anderen, dass Selbstwirksamkeit und Organisation von Gemeinschaft im Prinzip machbar und moeglich ist. Es zeigt, dass es moeglich ist, die Stadt im Kleinen ein Stück mitzugestalten. Solche Angebote wirken auch der Vereinzelung entgegen, die ein riesiges Problem in anderen Gesellschaften ist.

    Vereinzelung, keine dritten Räume jenseits von kommerziellen Angeboten und Kirchen, keine Möglichkeit irgendetwas bewirken zu können - wir wissen bereits, welchen Effekt das auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt hat.

  • "Hass auf Freude, auf Spiel, auf Intelligenz, auf Menschen und auf das Leben."

    Sehr guter Artikel. Ich lebe nicht in Berlin- es scheint mir so, als ob Berliner das Privileg der vielen kleinen selbst organisierten Kulturinitiativen, die Menschen unterschiedlichen Alters zusammenbringen, gar nicht mehr zu schätzen wissen. Man schätzt es erst, wenn es weg ist und das Lebensgefühl merklich unangenehmer. Der Verlust diese Lebensgefühls lässt sich nur schwer benennen oder quantifizieren.

    Wenn ich in Berlin bin und die vielen selbst organisierten Kulturinitiativen sehe, ist das für mich ein Zeichen dass die Zivilgesellschaft noch halbwegs funktioniert und dass Menschen bereit sind, etwas für ihre Gemeinschaft zu tun und Orte der Begegnung zu schaffen. Jeder der das nicht schaetzt, sollte mal an Orten leben, wo der Neoliberalismus schon sehr viel weiter fortgeschritten ist und der Zugang zu Natur oder "Kultur" nur als durchchoreographiertes Happy Hour-Event für Besserverdienende buchbar ist und mit dem Etikett "mental health" und "wellness" versehen ist. Der Rest konsumiert Social media und Netflix weil es nichts gibt.

  • Das Gewissen der Konservativen ist ein autoritäres. Mit dieser These kommen Erich Fromm und "übrigens" zum gleichen Ergebnis. Zitate aus "Psychoanalyse und Ethik", S. 114 ff; GROSS=kursiv im Original:

    »…das autoritäre SCHLECHTE Gewissen [geht] auf das Gefühl der Stärke, der Unabhängigkeit, der Produktivität und des Stolzes zurück, während das autoritäre GUTE Gewissen dem Gefühl des Gehorsams, der Abhängigkeit, der Ohnmacht und Sündhaftigkeit entspringt. Der Apostel Paulus, Augustinus, Luther und Calvin haben dieses Gewissen in nicht mißzuverstehender Weise beschrieben. Sich der eigenen Ohnmacht bewußt zu sein, sich zu verachten, das Gefühl der eigenen Sündhaftigkeit und Schlechtigkeit auf sich lasten zu fühlen, sind Zeichen der Tugend.«

    Umso mehr hält sich der Untertan an die Autorität, bewundert und idealisiert sie und hat daraus »einen unerschütterlichen Glauben an den Idealcharakter der Autorität ... der gegen jeden ihr widersprechenden empirischen Beweis immun ist.«

    Setzt man nun, auch wenn es schwer fällt, als „Autorität“ die Berliner CDU/SPD Regierung, dann ist glasklar, dass nicht nur Kunst weg kann, sondern »im Grunde alles, was sinnvoll ist«.

  • Was schlägt Herr Hannemann vor? Man kann den Euro nur einmal ausgeben. Da wir uns halt zurzeit kriegerisch ertüchtigen müssen, da man die Ukraine nicht im Stich lassen kann gegen DEN RUSSEN, muss halt woanders gespart werden. Also, wenn wir uns das experimentelle Tanztheater, eine Freie Szene, die frühkindliche Musikalienerziehung usw. leisten wollen, was kann dann anstelle weg? Die Frauenhäuser? Der soziale Wohnungsbau? Die Förderung regenerativer Energien? Die hohen Renten? Sozialhilfe für Einwanderer? Oder nehmen wir einfach fett Schulden auf, dann sollen das experimentelle Tanztheater heute unsere Kinder morgen abstottern?

  • Die Kolumne ist doch ein bißchen arg dick aufgetragen . War Claudia Roth denn ein intellektueller und kunstaffiner Leuchtturm , eine ausgewiesene Kulturexpertin ? Ich würde das mit Nein beantworten , besonders ihr verdruckster Umgang mit dem linken Antisemitismus im Kunstbetrieb war mehr als peinlich. Naumann, Nida-Rümelin und Grütters haben mich bisher am ehesten durch intellektuelle Redlichkeit , Bildung und Kultur überzeugt.



    Wolfram Weimer muss zeigen was er kann , aber das er der Richtige für die Abwicklung des Kulturbetriebs sein soll halte ich doch für arg übertrieben .

  • "Ist das Kunst oder kann das weg?"

    Den Spruch hört man ja recht häufig und ich würde erst mal am "oder" und dem "?" ansetzen. In vielen Fällen würde ich den Satz umbauen mit einem "und" und einem "!". In etwa: "Das ist Kunst und kann weg!"

  • "Hass auf Kultur, das Fahrrad, die Jugend, Kinder, Verkehrs­sicherheit und öffentlichen Nahverkehr. Verachtung für im Grunde alles, was sinnvoll ist oder auch nur nach dem kleinsten Glücksversprechen klingt. Hass auf Freude, auf Spiel, auf Intelligenz, auf Menschen und auf das Leben. Bald machen sie wieder Jagd auf Brillenträger."



    Fehlt noch: KZ, Vergasen und Krematorium..... Ist das nicht etwas Dicke aufgetragen?



    Die freie Kultur zu bekämpfen und zu Unterdrücken, das geht natürlich nicht. Allerdings sollte sich die "Kultur" (die selbsternannte Intelligenz?) auch ihre Freiheit bewahren und nicht als Staatsknetejunkies dem reinen Selbstverwirklichungsanspruch dergestalt fröhnen, dass "Kultur" gleich Kochen im eigenen Sud, als Deko bzw. Bühnenbild der Schicki-Gala-Gelangweilten dienen sollte? Obwohl, da fallen viele Leckerlies ab...



    Sicherlich, Bibliotheken und Museen haben einen Allgemeinstellenwert, aber viele "Kunst" ist so künstlich, dass es den allgemeinen Steuerzahler nicht tangiert, interessiert, kein Steuergeld wert ist?



    Wo bleibt die künstlerische Selbstachtung, wenn das "Werk" keine Gesellschaftsrelevanz aufweist, aber von dieser Entlohnt werden soll? Bemitleidenswert?

  • Da fragt man sich doch was an der AfD so schlimm sein soll. In Berlin scheint sie ja schon an der Macht. Als links-rot-versiffter, ist fuer mich AFD nur CDU mit and

  • Na gut, wir lernen, dass die Konservativen von Auto über Veganismus bis zum Bildermalen alles falsch machen.

    Aber im Ernst:



    Bei der Kulturförderung läuft Günstlingswirtschaft, Korruption und wahlloses Geldverteilen Amok. Gefördert wird, gerade im kommunalen Bereich nach Nase und Gusto der Entscheider und nach Geschrei auf Strasse und im Rathaus. Man will sich schliesslich profilieren. Übrigens parteiübergreifend. Anstatt sich darauf zu beschränken Infrastruktur, wie Spielstätten, Kunsthäuser und Museen bereitzustellen und das Publikum mit den Füssen abstimmen zu lassen, wird mit der Giesskanne noch die kleinste Hobbykunsttanzgruppe gefördert.



    Wer Kunst machen will soll gefälligst selbst aus den Puschen kommen anstatt ständig im Rattenrennen nach Steuergeld zu heulen.

  • Also noch mal zusammengefasst: Wer es wagt, den nicht gerade kleinen Berliner Kulturetat zu kürzen, ist irgendwas zwischen Nazi (Bücherverbrennungen), rotem Khmer (Verfolgung von Brillenträgern) und Pietist (Hass auf Freude). Das klingt irgendwie lustig, der Autor scheint es aber ernst zu meinen, und das ist erschreckend.

  • Konservativ sein gehört zur politischen DNA der Bundesrepublik. Allerdings kann man dies durch zwiespältig sehen. Schon bei der französischen Revolution saßen die Konservativen eher rechts und wollten die Monarchie bewahren, während andere Kräfte schon die Demokratie forderten. Dies setzt sich in "moderater" Form in der Bundesrepublik fort. Wobei auch unter Adenauer teilweise Schatten herrschte. Vor allem bei Frauenrechten war es erst Willy Brandt der hier einige Reformen durchführte und der Übernahme des Schwulenparagraphen aus der Nazizeit in Bundesgesetze, auch erst von Brandt erstmalig gelockert. Genauso Pressefreiheit. Unter Adenauer eher schwierig wie 1962 bei der Spiegelaffäre ersichtlich. Es gab mal 12 Jahre eine liberalere Zeit mit Merkel, aber auch hier zeigte sich das Merkel nicht bereit war bei der Ehe für alle mit Ja zu stimmen. Sicher mag der Konservativismus zum Inventar der Bundesrepublik gehören, aber genauso lässt sich die Frage stellen, wie weit rechts Konservative zu gehen bereit sind bzw. es auch waren. Eigentlich erfüllt der Konservatismus hier leider oft eine "Scharnierfunktion" für die Rechten Parteien um an die Macht zu kommen.

    • @Hamburger in Istanbul:

      Was Konservative und Rechte verbindet ist das autoritäre Weltbild. Bei den Konservativen (hier und heute) ist der autoritäre Weltzugang lediglich mit etwas demokratischem Firnis übertüncht, und zwar nach einer "verkackten Entnazifizierung“ (Elena Wolf) und durchaus unfreiwillig, weil ja nicht das deutsche Volk, sondern die Siegermächte die Demokratie eingeführt haben. Das gelang wohl nur, weil Konservative gewöhnlich das tun, was die Obrigkeit (die nach Römer 13, ja immer von Gott ist) vorgibt. Der schwindelerregende Rechtsruck der letzten Jahre war gar keiner, es ist nur der dünne demokratische Lack erodiert.