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Zugunglück von Bad AiblingGefängnisstrafe für Fahrdienstleiter

Im Februar stießen zwei Züge in Oberbayern zusammen. Neun Menschen starben. Der angeklagte Fahrdienstleiter hatte mit dem Handy gespielt und muss nun in Haft.

Urteilsverkündung in Traunstein Foto: dpa

Traunstein dpa | Nach dem verheerenden Zugunglück von Bad Aibling mit zwölf Toten ist der Fahrdienstleiter zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Der Bahnmitarbeiter ist der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung schuldig, wie das Landgericht Traunstein am Montag befand. Bei dem Zusammenstoß zweier Züge am 9. Februar in Oberbayern waren außerdem fast 90 Menschen teils lebensgefährlich verletzt worden. Das Gericht sprach von einem der erschreckendsten Zugunglücke in den letzten Jahren.

Zu Prozessbeginn hatte der Bahnmitarbeiter gestanden, bis kurz vor dem Zusammenstoß der beiden Züge am 9. Februar in dem oberbayerischen Kurort das Fantasy-Rollenspiel „Dungeon Hunter 5“ auf seinem Handy gespielt zu haben. Dabei geht es um das Töten von Dämonen. Die Vorschriften der Deutschen Bahn verbieten jedoch die private Nutzung von Smartphones im Dienst.

Vom Spielen abgelenkt stellte der Fahrdienstleiter an jenem Unglücksmorgen mehrere Signale im Stellwerk falsch, wie die mehrtägige Beweisaufnahme im Prozess das Ermittlungsergebnis bestätigte. Beim Absetzen eines Notrufes drückte der 40-Jährige zu allem Unglück auch noch eine falsche Taste. Der Alarm erreichte die Lokführer nicht. Der Frontalzusammenstoß auf eingleisiger Strecke war daraufhin nicht mehr zu verhindern.

30 Jahre veraltete Signaltechnik

An einer Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung hatte nach sechs Verhandlungstagen kein Zweifel mehr bestanden. Denn selbst die Verteidiger des Fahrdienstleiters räumten dies ein. Allerdings hielten sie eine Bewährungsstrafe für ausreichend. Allenfalls kam für die Anwälte eine Haftstrafe von maximal zweieinhalb Jahren infrage.

Die Staatsanwaltschaft hatte hingegen vier Jahre Gefängnis beantragt. Die Hinterbliebenen der Todesopfer und verletzten Passagiere schlossen sich als Nebenkläger dieser Forderung im Wesentlichen an. Die Höchststrafe bei fahrlässiger Tötung beträgt fünf Jahre. Das Gericht betonte bei seinem Urteilsspruch, alle Beteiligten hätten zu einem „ruhigen und sachlichen Verhandlungsstil“ beigetragen.

Bekannt wurde in dem Prozess auch, dass die Bahn auf der Unglücksstrecke seit mehr als 30 Jahren veraltete Signaltechnik einsetzt. Eine Vorschrift von 1984, zusätzliche Anzeigen zu installieren, war nicht umgesetzt worden, wie ein Unfallexperte des staatlichen Eisenbahn-Bundesamtes aussagte. Die Bahn muss dies aber nur im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten tun.

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3 Kommentare

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  • Der gängige Buhmann "Computerspiel" ist natürlich ein schönes Feigenblatt für die Deutsche Bahn. "Oh, es war nicht unser mangelhaftes Sicherheitssystem, es war das Handyspiel."

     

    Da hakt dann keiner mehr nach.

    • @kditd:

      Ich denke dieser Satz der Richter sagt alles:

      "Ob die Bahn weitere Sicherungssysteme verwenden müsste, dazu könne das Gericht „keine Aussage machen“.

      Dabei wäre das Verhalten von Bahn und/oder deren Mieter Meridian sogar die Kernfrage

       

      Das ist wirklich eine Ungeheuerlichkeit, zumal das was ich unten geschrieben habe, inzwischen weithin bekannt ist. 1975 hat die Justiz wenigstens von sich aus(!) noch versucht durchzugreifen. Heute ... Bauernopfer gefunden, Fall abgeschlossen.

  • Der eigentliche Skandal ist, daß 2016 zwei topmoderne Triebwägen auf einer eingleisigen Strecke noch ohne Kollisionswarnsystem auf einander zufahren können.

     

    Bizarrerweise wurde dieses vergleichsweise günstige (und einfach zu installierendes) System eben vom Meridian in diesen Triebwägen und genau auf dieser Strecke getestet, nur wenige Jahre vor dem Unglück.

     

    Die Tests waren sehr erfolgreich, die paar 1000 EUR pro Triebwagen waren aber dann wohl doch zu teuer, fiel auch mit dem Vorstandswechsel beim Meridian zusammen, soweit ich mich erinnern kann ...

     

    Der Fahrdienstleiter hat einen veritablen Vogel, keine Frage, aber es ist ein Fehler im System, wenn ein kurzer mentaler Kurzschluss aufgrund fehlender, aber leicht implementierbarer, Schutzeinrichtungen zu so einer Katastrophe führt.

     

    Nur wenige Kilometer entfernt gab es 1975 bei Warngau einen gewaltigen Zugunfall, den ich nie vergessen werde, bin unmittelbar nach dem Unfall zufällig an den besagten Bahnübergang gekommen. Das Bild vergißt man nicht mehr ...

     

    Zu diesem Unfall von 1975 zitiere ich mal die Wikipedia: "Harsch kritisiert wurde im Nachhinein, dass technische Sicherungsmöglichkeiten, die es gab, nicht eingebaut waren." ... kommt mir irgendwie bekannt vor.