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Zugunfall in QuébecHandbremse nicht angezogen

20 Tote, 30 Vermisste, eine kanadische Kleinstadt in Flammen: Der Vorsitzende des US-Bahnunternehmens macht nun den Lokführer verantwortlich.

Ungebremst in der Ort geschossen: Teile des entgleisten Zuges in Surete du Quebec. Bild: dpa

LAC-MEGANTIC afp | Für die verheerende Tankzug-Explosion in der kanadischen Provinz Québec war nach Angaben des Zugeigentümers der Lokführer verantwortlich. „Die Handbremsen in dem Zug waren nicht ordnungsgemäß angezogen, und dies lag in der Verantwortung des Angestellten“, sagte der Vorsitzende des US-Bahnunternehmens The Montreal, Maine & Atlantic, Edward Burkhardt, am Mittwoch beim Besuch des Unglücksortes Lac-Mégantic. Die Polizei von Québec ging von insgesamt 50 Todesopfern aus.

Der mit Rohöl beladene Zug war in der Nacht zum Samstag führerlos durch den Touristenort gerast und entgleist. Mehrere Kesselwagen explodierten. Durch den dadurch ausgelösten Großbrand wurde das Zentrum des 6.000-Einwohner-Ortes zerstört. 2.000 Einwohner mussten die Stadt verlassen.

Der Lokführer habe zwar versichert, dass er die Bremsen angezogen habe, sagte Burkhardt weiter. Aber wenn dies der Fall gewesen wäre, „dann hätten wir diesen Vorfall nicht gehabt“. Der Angestellte sei vom Dienst suspendiert, gegen ihn werde ermittelt. „Ich denke nicht, dass er noch einmal für uns arbeiten wird“, sagte der Bahn-Manager.

Bei seinem Besuch in Lac-Mégantic wurde Burkhardt von Buhrufen wütender Einwohner empfangen, da er bisher jede Verantwortung für die Explosion von sich gewiesen und der Feuerwehr die Schuld gegeben hatte. Diese habe während eines Zwischenstopps in der 13 Kilometer westlich von Lac-Mégantic gelegenen Stadt Nantes den Motor der Lok abgestellt und somit die Druckluftbremsen außer Betrieb gesetzt. Die Feuerwehr hatte in Nantes einen kleinen Brand am Zug löschen müssen, der jedoch nichts direkt mit der späteren Explosion zu tun hatte.

60 Millionen Dollar Nothilfe

Am Mittwoch nun sagte Burkhardt, dieser Vorgang sei in dem gesamten Geschehen ein wichtiger Faktor gewesen. Dass sich der Zug in Bewegung setzte, sei allerdings ein Hinweis darauf, dass die Handbremsen nicht korrekt eingestellt waren. Die Feuerwehrleute hätten das getan, „was ihrer Ansicht nach korrekt war“.

Der Zug hatte in Nantes einen Stopp eingelegt, um die Besatzung zu wechseln. Führerlos setzte sich der Zug dann auf der abschüssigen Strecke mit 72 Tankwaggons in Bewegung, in denen jeweils hundert Tonnen Rohöl geladen waren.

Michel Forget von der Provinzpolizei in Québec sagte am Mittwoch, 20 Todesopfer seien nunmehr bestätigt. 30 weitere Menschen, die vermisst wurden, seien „höchstwahrscheinlich bei dieser Tragödie ums Leben gekommen“.

Die Behörden der Provinz stellten einen Betrag von 60 Millionen kanadischen Dollar (44,3 Millionen Euro) für die Nothilfe und den Wiederaufbau zur Verfügung. Die Flaggen wehten im ganzen Land auf halbmast.

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2 Kommentare

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  • L
    Ölschnecke

    Kaum Kommentare hierzu. Verständlich, da es ja um ÖL ging und das braucht ja auch der Grüne und Sozi, um sich mal schnell in der Mittgspause vom Parlament zum Bioladen (oder Steakhaus) fahren zu lassen.

  • R
    rita

    Man stelle sich das vor: ein Zug mit 72 (ZWEI UND SIEBZIG!) Waggons voller ROHÖL!, abgestellt an einer abschüssigen Stelle - so etwas sollte einfach nicht normal sein! Und dann wird dem Lokführer die Schuld gegeben - ob die Handbremse in Ordnung war, wurde natürlich nicht hinterfragt. Oder kann sich irgendwer vorstellen, dass ein simpler Bremsmechanismus in der Lage ist, einen derart langen und sicherlich schweren Zug aufzuhalten?