Zu wenig MPX-Impfstoff im Hotspot Berlin: Ausgebuchte Impftermine
Berlin ist der Hotspot für Infektionen mit den sogenannten Affenpocken. Experten fordern schnell erheblich mehr Impfstoff.
Denn die Erkrankung breitet sich bisher vor allem in der Community schwuler und bisexueller Männer aus, die wechselnde Geschlechtspartner haben. In Berlin sind dem RKI bisher nur zwei weibliche Infizierte bekannt. Berlins große queere Community ist dementsprechend besonders gefährdet. Deshalb hat hier – allerdings erst vor zwei Wochen – die Impfkampagne gegen MPX begonnen. Das Bundesgesundheitsministerium hatte Ende Juni über 40.000 Impstoffdosen besorgt, von denen 8.000 Berlin zugeteilt wurden. Weitere 200.000 Dosen sind für das dritte Quartal 2022 angekündigt, wobei Verteilung und Liefertermin noch nicht feststehen.
„Wichtig ist jetzt, dass der Impfstoff schnell und unbürokratisch verimpft wird und möglichst viel davon für Erstimpfungen eingesetzt wird,“ sagt Holger Wicht, Sprecher der Deutschen Aidshilfe, der taz. Der Impfstoff Imvanex des dänisch-deutschen Herstellers Bavarian Nordic wird in zwei Dosen in einem Abstand von mindestens vier Wochen verabreicht.
Das soll in Berlin an insgesamt 30 Impfstellen passieren, von denen eine die Praxis City Ost in Friedrichshain ist. Dem dort niedergelassenen Arzt Dr. Heribert Hillenbrand wurden 300 der in Berlin verfügbaren 8.000 Impfdosen geliefert. Alle Impftermine seien schon bis Ende dieser Woche vergeben, sagt Hillenbrand: „Berlin hätte mindestens die Hälfte der 40.000 Impfdosen gebraucht, denn die Nachfrage ist riesig.“ Momentan müsse bei den Impfungen stark priorisiert werden. Aktuell werde danach entschieden, ob der Patient HIV-positiv und in der Praxis schon in Behandlung sei. Außerdem wird berücksichtigt, ob die Person eine HIV-Präexpositionsprophylaxe (PrEP) zu sich nimmt, ein Medikament, das die Ansteckung mit HIV verhindern kann. Dabei werden bei der Verimpfung keine Dosen für die Zweitimpfung zurückgehalten: Man setzt auf die versprochenen Nachlieferungen.
Die hohe Nachfrage bestätigt ein gerade geimpfter Patient, der anonym bleiben möchte. „Einer unserer Bekannten ist zwar auf PrEP, aber an keine der bekannten Schwerpunktpraxen angebunden. Deshalb bekommt er momentan einfach keinen Termin.“ Gerade in der schwulen Community sei das Wissen über sexuell übertragbare Krankheiten groß, weshalb die Impfbereitschaft hoch sei. Das Problem sei aber der fehlende Impfstoff, den er scherzhaft „Goldstaub“ nennt.
Davon, dass mittelfristig unbedingt weiterer Impfstoff besorgt werden muss, ist auch Holger Wicht überzeugt. Dabei kritisiert er die bisherigen Berechnungen. „Die Zahl der laut RKI für eine Impfung in Frage kommenden 130.000 Menschen ist mit Blick auf die kommenden Monate zu niedrig angesetzt. Wir gehen davon aus, dass wir in Deutschland etwa 1.000.000 Impfdosen für 500.000 Menschen brauchen werden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Frauen in der ukrainischen Armee
„An der Front sind wir alle gleich“
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag