Zu wenig Ganztagsplätze in der Kita: Mittag gibt‘s bei Mutti

Eigentlich sollen alle Dreijährigen einen Ganztagsplatz in der Kita bekommen – egal, ob die Eltern arbeiten oder nicht. Die Realität sieht anders aus.

Haben nicht immer Anspruch auf einen ganzen Tag: Berliner Kita-Kinder. Foto: dpa

Vier Jahre ist so ein Koalitionsvertrag gemeinhin gültig. Eine lange Zeit: Als Politiker darf man sich da ruhig berechtigte Hoffnung machen, dass das Wählergedächtnis – und die politische Konkurrenz – da auch mal den einen oder anderen Vertragspunkt vergisst. So wie den Beschluss der rot-schwarzen Koalition, Kita-Kindern ab dem dritten Lebensjahr das Recht auf einen Ganztagsplatz zuzusprechen. So steht es zumindest im Koalitionsvertrag von 2011, so sollte es bis Ende 2016 sein.

Passiert ist in dieser Hinsicht allerdings nichts. Nach wie vor gilt: Wenn die Eltern nicht oder nur in geringem Stundenumfang arbeiten, haben Drei- bis Sechsjährige derzeit nur Anspruch auf einen Halbtagsplatz, sprich: auf vier bis fünf tägliche Kitastunden.

„Inkonsequenz“, wirft „Marianne Burkert-Eulitz, jugendpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, denn auch Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) vor: „Dabei sagt die SPD immer, wie wichtig ihr die Kita als Förderinstrument sei.“

Bemüht ist man in der Tat: Seit einigen Jahren gibt es in den Kitas das sogenannte Sprachlerntagebuch. Die Idee: ErzieherInnen dokumentieren den Sprachfortschritt der Kinder, LehrerInnen können dann besonders bei Kindern mit Förderbedarf gezielter reagieren. Evaluiert wurde dieses Projekt allerdings noch nicht. Auch einen verpflichtenden Sprachtest mit vier Jahren gibt es seit 2014: Alle Kinder, die nicht in der Kita angemeldet sind, müssen daran teilnehmen.

Jedoch scheinen diese Disziplinierungsmaßnahmen nur bedingt zu greifen. Ausgerechnet Neukölln und Mitte haben berlinweit die niedrigsten Betreuungsquoten – gleichzeitig leben hier besonders viele Kinder, die Förderbedarf in Deutsch haben. „Häufig scheitern die Eltern an den bürokratischen Hürden“, sagt Bernd Schwarz vom Berliner Kitabündnis.

Besser als Disziplinierungsmaßnahmen für die Eltern oder gar die Forderung nach einer Kita-Pflicht, mit der SPD-Fraktionsvorsitzender Raed Saleh bereits ordentlich aneckte, fände es Schwarz, „wenn den Familien ein Kita-Gutschein“ ins Haus geschickt würde. „Das wäre eine Willkommenskultur, die die Familien einladen würde“.

Darüber hinaus könnte ein solcher Blanko-Gutschein für die Dreijährigen auch Kapazitäten in den Jugendämtern freisetzen, die für die Gutscheinausgabe zuständig sind. Beim Kitabündnis hat man errechnet, dass ein pauschaler 6-Stunden-Gutschein für alle über Dreijährigen die Verwaltung so entlasten würde, dass es die Mehrkosten für zusätzlich benötigte ErzieherInnen aufwiegen würde.

Im Jugendamt Friedrichshain-Kreuzberg etwa findet bei den Dreijährigen, die aus der Krippe „hochwachsen“, bereits gar keine Prüfung mehr statt, welchen Betreuungsumfang die Eltern tatsächlich geltend machen könnten. „Aufgrund der Überlastungssituation der Arbeitsgruppe“ erfolge „keine erneute Bedarfsüberprüfung durch die Gutscheinstelle“, lässt die zuständige Jugendstadträtin und Bezirksbürgermeistern Monika Herrmann mitteilen. Theo­retisch könnte das Land, das für über Dreijährige die Betreuungskosten übernimmt, also für einige Kinder einen höheren Beitragssatz als erforderlich zahlen. „Aber der Rechnungshof geht dem nicht weiter nach“, so Herrmann. „Die haben keine Personalressourcen dafür.“

Die Senatsbildungsverwaltung indes lässt mitteilen, man konzentriere sich derzeit lieber auf die Verbesserung des Betreuungsschlüssels und den Kitaplatzausbau. „Die Erweiterung auf einen Ganztagsanspruch für alle Familien ohne Bedarfsprüfung ist auch im kommenden Doppelhaushalt nicht vorgesehen“, so ein Sprecher. Und dann ist der Koalitionsvertrag ja auch wirklich Schnee von vorgestern.

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