piwik no script img

Zu viel unterwegsVergesslicher Fan

La KolumneAUS PARIS Johannes Kopp

Als ich in Paris ankam, hat Jeff mir alles sofort erklärt. Das ganze Problem mit der französischen Nationalmannschaft. Einige seien einfach nicht stolz, dieses Trikot zu tragen, hat er mir erzählt. Sie würden sich mit Frankreich nicht richtig identifizieren. Es sei gut, fuhr Jeff fort, dass das Team nicht mehr weiß sei, weil auch Frankreich nicht weiß sei. Aber stolz müssten sie doch schon sein auf ihr Land. Traurig hat Jeff den Kopf geschüttelt. Jeff heißt eigentlich Jean-François und ist mein Vermieter. Und sofort ahnte ich, dass er ziemlich stolz sein musste auf die Equipe Tricolore, auf Frankreich und auf diese Europameisterschaft.

Er liebe den Sport, hat er mir erklärt. Beruflich ist er sowieso eng verbandelt mit ihm. Zum neunten Mal wird er bald im Tross der Tour de France folgen. Er arbeitet im Marketingbereich eines Teamsponsors und reist die kompletten drei Wochen mit. Und bei der Fußballweltmeisterschaft vor zwei Jahren in Brasilien war er auch mit von der Partie.

Über die französischen Nationalmannschaft habe ich mit Jeff seit seiner Einführung lange nicht mehr sprechen können. Immer ist er unterwegs. Die Sicherheitsvorkehrungen, klagt er, machten dieses Jahr bei der Tour de France alles noch viel komplizierter. So ein fahrendes Unternehmen sei ja noch viel schwieriger zu schützen.

Aber just am Tag nach dem Spiel der Franzosen gegen die Albaner habe ich Jeff abends endlich mal wieder getroffen. Er ist ein wirklich liebenswürdiger und aufmerksamer Gastgeber. Zum Fußballschauen hat er mir extra einen Fernseher ins Zimmer gestellt. „Und, wie ist die Stimmung nach den ersten beiden Spielen des französischen Teams?“, will ich wissen. „Ach ja, das Spiel gestern, wie ist es eigentlich ausgegangen?“, will er nun wissen. Vermutlich hat er mir den einzigen Fernseher im Haus zur Verfügung gestellt. Aber stolz ist er gewiss auf den zweiten französischen Erfolg. Daran will ich jetzt gar nicht zweifeln.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen