Zu hohe CO2-Emissionen im Verkehr: Klage gegen Wissing-Plan
Der Verkehrsminister wollte mit kleinen Korrekturen Klimaschutzvorgaben der Regierung erfüllen. Viel zu wenig, sagt die Umwelthilfe – und klagt.
Mit einer schnellen gerichtlichen Entscheidung ist allerdings nicht zu rechnen, weil der zuständige Senat des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Berlin-Brandenburg durch einen justizinternen Rechtsstreit blockiert ist.
Das Klimaschutzgesetz sieht vor, dass Deutschland seine CO2-Emissionen bis 2030 um mindestens 65 Prozent senken muss. Dabei setzt das Gesetz für die einzelnen Sektoren wie Gebäude, Industrie und Verkehr jährliche Obergrenzen, die Jahr für Jahr absinken. Im Verkehrssektor galt 2021 eine Grenze von 145 Millionen Tonnen CO2. Bis 2030 sinkt diese Obergrenze auf 85 Millionen Tonnen CO2 ab.
Im Vorjahr hat der Verkehrssektor seine Obergrenze um 3 Millionen Tonnen CO2 überschritten. Diese Erfüllungslücke wird laut Klimaschutzgesetz auf die nächsten Jahre umgelegt. Die Obergrenzen sinken daher leicht. Außerdem muss Bundesverkehrsminister Wissing ein Sofortprogramm vorlegen, um auf die Lücke zu reagieren.
Wissing sieht Lücke übererfüllt
Ein solches Sofortprogramm hat Wissing am 12. Juli vorgelegt. Unter anderem durch eine höhere Förderung des digitalen Arbeitens und des Radwegebaus will er bis 2030 rund 13,6 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Wissing sieht damit seine Pflicht, die Erfüllungslücke von 3 Millionen Tonnen CO2 zu kompensieren, übererfüllt.
Der gesetzlich vorgesehene Expertenrat für Klimafragen hielt Wissings Plan dagegen für unzureichend. Laut Gesetz müsse der Minister ein Sofortprogramm vorlegen, das die Einhaltung der Obergrenzen auch „für die folgenden Jahre sicherstellt“.
Weil aber die Verkehrsemissionen derzeit ansteigen und die Obergrenzen sinken, werde die Erfüllungslücke von Jahr zu Jahr größer. Bis 2030 ergebe sich eine Gesamt-Erfüllungslücke von gewaltigen 261 Millionen Tonnen CO2, heißt es im Prüfbericht des Expertenrats von Ende August.
Auf dieses fachliche Urteil des Expertenrats stützt sich nun auch die Klage der Deutschen Umwelthilfe. Wissings Sofortprogramm sei „rechtswidrig“, heißt es in dem 32-seitigen Schriftsatz von DUH-Anwalt Remo Klinger. Als mögliche Maßnahmen regt die DUH etwa ein Tempolimit oder eine CO2-basierte Neuzulassungssteuer an.
Richterprobleme behindern Klagen
Den Großteil seiner Ausführungen muss Klinger allerdings für die Erklärung aufwenden, warum die DUH in dieser Frage entgegen der restriktiven deutschen Gesetzeslage überhaupt klagen darf.
Über die Klage muss nun das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg entscheiden. Das OVG ist zuständig, weil der Sitz des Verkehrsministeriums in Berlin ist. Beim OVG liegen auch bereits mehrere andere Klagen der Deutschen Umwelthilfe, die sich gegen die vermeintlich mangelhafte Umsetzung des Klimaschutzgesetzes durch die Bundesregierung wenden.
Eine erste Klage aus dem Jahr 2020 betraf bereits den Verkehrssektor. In der Klage vom Mai 2021 werden auch die Klimaschutzvorhaben in den Bereichen Industrie, Landwirtschaft, Energie und Gebäude angegriffen. Eine dritte Klage der Deutschen Umwelthilfe von Anfang 2022 bezieht sich erneut auf den Gebäudesektor.
Über keine dieser Klagen hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg bisher entschieden. Der auch für Umweltrecht zuständige 11. OVG-Senat war 2020 und 2021 mit Coronafragen überlastet. Im Februar 2022 ging dann der Vorsitzende Roger Fieting in den Ruhestand.
Der gemeinsame Richterwahlausschuss von Berlin und Brandenburg wählte am 8. Juni zwar eine Nachfolgerin. Doch gegen deren Ernennung hat ein unterlegener Mitbewerber eine Konkurrentenklage erhoben, über die nun das Verwaltungsgericht Berlin entscheiden muss. Damit ist abzusehen, dass der 11. Senat die komplexen Klimafragen auch in den nächsten Monaten weiter liegen lässt.
Anm. der Redaktion: in einer früheren Fassung des Textes hieß es versehentlich, dass sich die Obergrenze für CO2-Ausstoß im Verkehrssektor leicht erhöhe. Das Gegenteil ist richtig, sie sinkt leicht.
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