berliner szenen: Zu gesund zum Spenden
IgG reicht nicht
Die Spendestelle des Aventis Bio-Service in der Axel-Springer-Straße will mein Blut schon seit Wochen nicht mehr haben. Und das nur, weil nie alle Inhaltsstoffe zur gleichen Zeit über den geforderten Schwellenwerten liegen. Wahrscheinlich würden selbst Nosferatu, wenn es ihn gäbe, beim Genuss meiner Körperflüssigkeit die Zähne ausfallen.
Dabei fing alles ganz harmlos mit einem zu niedrigen Proteinwert an. Zu erklären war das leicht, weil Fleisch eher eine Seltenheit auf meinem Speiseplan ist. Kein Geld und natürlich auch keine Möge und Muße, es zuzubereiten. Und wer trinkt schon einen Liter Milch am Tag? Schweden sollen das angeblich fertig bringen, aber bei denen ist der Alkohol ja auch teurer. Mir blieb deshalb nichts anderes übrig, als exzessiv Joghurt zu konsumieren. Kaum aber lag der Proteinwert auf einem überdurchschnittlich hohen Niveau, gab es wieder Probleme mit einem geringfügig zu niedrigen Immunglobulinwert. Ein zu schwaches Immunsystem also! Mein Blut ist somit als Basis für die von Aventis produzierten Blutermedikamente untauglich. Als Trost für die damit entfallenden 40 DM Aufwandsentschädigung konnte mir die hübsche Krankenschwester nur mitteilen, dass ich in der letzten Zeit wahrscheinlich zu gesund gewesen sei und daher zu wenig Abwehrstoffe gebildet habe. Wie Archimedes mal nach dem Baden nackt auf die Straße rennen, um sich eine ordentliche Erkältung einzufangen, könnte den Mangel zwar beheben, wäre aber nicht unbedingt anzuraten. So schlecht könne es mir finanziell wohl nicht gehen, dass ich mich auch noch gesundheitlich ruinieren wolle! Ich solle, sagte sie, einfach nur eine unbezahlte Blutprobe abgeben und in zwei Wochen wiederkommen.
TOBIAS RECKLING
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