Zoff bei CSU im bayerischen Landtag: Es grummelt in Söders Truppe
Die CSU-Fraktion streitet über ihren Vorsitzenden – meint aber vielleicht jemand anderen. Am Mittwoch kommt es zur Aussprache.
Empfohlener externer Inhalt
Nun muss man wissen, dass Weidenbusch nicht nur Politiker, sondern auch Präsident des Bayerischen Jagdverbands ist, was bei politischen Gegnern und Journalisten einen geradezu zwanghaften Reflex zu einschlägigen Metaphern auszulösen scheint. Vor allem aber sollte man wissen, dass Weidenbusch in der CSU-Landtagsfraktion gerade mächtig für Unruhe sorgt. Oder aber – je nach Sichtweise: dass er lediglich öffentlich ausspricht, was viele in der Fraktion denken.
Dabei geht es, zumindest vordergründig, zunächst mal um den Fraktionschef, den Allgäuer Thomas Kreuzer. „Mit Thomas Kreuzer werden wir die Wahl nicht gewinnen“, zitiert der Bayerische Rundfunk Weidenbusch.
Im Herbst nächsten Jahres wird in Bayern ein neuer Landtag gewählt, und CSU-Chef Söder ist längst nicht der einzige, der diese Wahl als „Schicksalswahl“ tituliert. Zuletzt lag die Partei, die bei den Landtagswahlen 2018 mit 37,2 Prozent der Stimmen bereits auf ein historisches Tief gefallen war, in Umfragen bei 35 bis 37 Prozent. Kreuzer führt die Fraktion seit achteinhalb Jahren an, vor knapp einem Jahr wurde er im Amt bestätigt.
„Wer fragt uns eigentlich noch?“
„Meiner Meinung nach bleiben Thomas Kreuzer noch etwa sechs Wochen Zeit, von sich aus seine Nachfolge zu organisieren, sonst wird es eine Dynamik in der Fraktion geben, die er nicht mehr aufhalten kann“, prophezeit Weidenbusch. „Spätestens die Sommerpause wird für die CSU-Fraktion zur Zäsur.“ Kreuzers Vize Tobias Reiß fasst das als Ultimatum auf und bezeichnet Weidenbuschs Verhalten im Münchner Merkur als „unterirdisch“. Andere sind in der Sache zwar bei Weidenbusch, finden aber, es müsse eine Lösung gefunden werden, bei der Kreuzer das Gesicht wahren könne. Der hält sich bislang bedeckt.
Unmut gibt es tatsächlich. Natürlich würden in einer Fraktion mit über 80 Mitgliedern nie alle zufrieden sein, sagt ein Abgeordneter. Aber es sei schon eine „Grundunzufriedenheit“ mit dem Austausch zwischen Abgeordneten und Staatsregierung festzustellen. Oder vielmehr: mit dem fehlenden Austausch. „Es sind viele sauer und denken sich: Wer fragt uns eigentlich noch?“
Es müssten halt auch ab und zu Themen in den Vordergrund gestellt werden, die den Willen der Fraktion dokumentierten, fänden diese. Dem Fraktionsvorstand komme dann die Aufgabe zu, Punkte herausarbeiten, wo eine Mehrzahl der Abgeordneten vielleicht nicht so ganz auf Linie der Staatsregierung liege – etwa bei einzelnen Punkten des Haushalts, wenn Söder mal wieder eine seiner milliardenschweren Ankündigungen mache.
Kreuzer gilt jedoch nicht gerade als der Mann, der Initiativen aus der Fraktion heraus fördert, sondern eher als loyaler Söder-Vertrauter, der versucht, seine Leute auf Kurs des Ministerpräsidenten zu halten – wohin auch immer der gerade geht.
Streitpunkt Windkraft
Ein Punkt, bei dem nicht alle hinter Söders Kurs stehen, könnte nun das Thema Windkraft sein. Aus Berliner Sicht gilt Markus Söder bei deren Ausbau als Bremsklotz. Nach Ansicht eines Teils der Fraktion dagegen, verficht der Ministerpräsident den Anti-Wind-Kurs viel zu wenig. Unter Druck von Klimaminister Robert Habeck, aber auch vom eigenen Koalitionspartner, den Freien Wählern, hatte Söder zuletzt weitgehende Ausnahmen der 10-H-Regelung in Windkraft-Vorranggebieten in Aussicht gestellt, woraufhin es sofort Einspruch aus der Fraktion gab.
Kerstin Schreyer, bis vor wenigen Wochen als Bauministerin noch für die 10-H-Regel zuständig, nach der Windräder von der nächsten Wohnbebauung das Zehnfache ihrer Höhe entfernt sein sollen, sagte laut Bayerischem Rundfunk: „Es gibt eine sehr große Klarheit auch in der Fraktion, dass an 10H natürlich festgehalten wird.“ Natürlich. Ausnahmen müsse man „wirklich offen“ diskutieren, forderte Schreyer, inzwischen Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses.
Und dann sind da auch noch die persönlichen Befindlichkeiten, die aktuell für schlechte Stimmung in der Fraktion sorgen. Nach Söders Kabinettsumbildung im Februar gab es einige Übergangene und Geschasste, die nun erst einmal mit ihrer Enttäuschung klarkommen müssen. Schreyer ist da nur ein Beispiel. Und auch andere, etwa der nicht namentlich zitierte Abgeordnete, halten die Kabinettsumbildung nicht unbedingt für den großen Wurf.
An diesem Mittwoch nun soll es in der Fraktionssitzung eine Aussprache geben. Ein freiwilliger Rückzug Kreuzers gilt als unwahrscheinlich, mangels klarer Alternative rechnet aber auch niemand mit einer Revolte. Es gebe keinen Rädelsführer, Weidenbusch selbst, so heißt es, sei lediglich ein Krawallmacher, eine „unguided missile“, aber bestimmt kein Mehrheitsführer. Es sei auch unklar, ob er in Eigeninitiative gegen Kreuzer vorgehe oder in jemandes Auftrag.
„Charakterköpfe gänzlich verstummt“
Die Frage, die sich vor allem aber stellt, ist: Geht es überhaupt um Kreuzer? Womit wir wieder bei der These von Brunns, dem des Rauschgiftkonsums verdächtigten SPD-Chefs, wären, wonach die eigentliche Zielscheibe Söder ist. „Kreuzer ist nicht das Thema. Wenn, dann ist Söder das Thema“, hört man auch aus der CSU-Fraktion.
Denn als Herzkammer der CSU sieht sich die Fraktion selbst. Dass die Abgeordneten dem Parteichef und Ministerpräsidenten blindlings folgen, funktioniert erfahrungsgemäß immer nur so lange, wie dieser ein Erfolgsgarant ist. Solange ein Wahlerfolg des Ministerpräsidenten und damit auch die Wiederwahl der Abgeordneten gesichert erscheint, wagt sich kaum einer aus der Deckung, der Amtsinhaber kann sich so ziemlich alles erlauben.
Doch mit den schwindenden Zustimmungswerten in der Bevölkerung nimmt auch die Begeisterung der Parlamentarier für ihren Anführer und dessen Alleingänge ab. Selbst der eher Söder-freundliche Münchner Merkur konstatierte jüngst: „Die Partei kreist ausschließlich um ihren Vorsitzenden. In der CSU gab es diese Tendenz schon immer: Strauß, Stoiber, Seehofer. Aber unter Söder sind Parteiflügel und Charakterköpfe gänzlich verstummt.“
Es könnte also eng werden für den Ministerpräsidenten. Es gebe allerdings zwei Lager in der Fraktion, erzählt der Abgeordnete, der seinen Namen nicht nennen will: Während die einen meinten, man könne mit einem Söder in keinen Wahlkampf mehr ziehen, fänden die anderen, es wäre das Gefährlichste, den Amtsinhaber noch vor der Wahl zu ersetzen. 2007 und 2017 hat man dies versucht – beide Male mit katastrophalen Ergebnissen.
Spätestens aber nach der Wahl, so der CSU-Abgeordnete, habe Söder „ein fettes Problem“ – sollte er nicht überraschenderweise ein Superergebnis einfahren. Aber danach sehe es momentan nicht aus, und der Glaube an die Macht des Amtsbonus habe spätestens seit der Saarland-Wahl einen starken Dämpfer bekommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen