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Zitronenplantagen unterm Giftschlamm

Spanischer Staudamm für Minenabwässer gebrochen, giftige Flutwelle verseuchte weite Landstriche. Überflutung eines Naturschutzgebietes knapp verhindert. Exmanager warnte vor brüchigem Damm  ■ Aus Madrid Reiner Wandler

Es waren 24 Stunden Wettlauf gegen die Uhr. Fünf Millionen Kubikmeter hochverseuchte Abwässer aus einer Schwefelmine im südspanischen Aznalcóllar bewegten sich auf das Naturschutzgebiet Doñana zu. Kurz bevor die giftigen Abwässer gestern früh dem einzigartigen Vogelleben in einem der größten Naturreservate Europas ein Ende bereiten konnte, gelang es den Einsatzkräften, die Fluten umzuleiten. Nicht mehr zu retten sind allerdings die ausgedehnten Landstriche, die die säurehaltigen Gewässer auf ihrem Weg überfluteten.

Inwieweit dies die Fauna des 500 Quadratkilometer großen Mündungsdeltas beeinflußt, in dem Jahr für Jahr Millionen von Zug- und Wasservögeln Zwischenstation auf ihren Reisen zwischen Europa und Afrika machen, darüber will bisher weder Parkleitung noch das Umweltministerium in Madrid Prognosen wagen.

Die Katastrophe begann in der Nacht zum Samstag um 3.30 Uhr. Der Damm eines Stausees, in dem die Abwässer aus dem Abbau von Pyrit (Schwefelkies) aufgefangen werden, brach auf der Länge von 50 Metern. „Eine Verwerfung weit unterhalb des Fundamentes des Dammes, ließ diesen wie ein Boot auf dem Untergrund wegschwimmen“, erklärt der Sprecher der Minengesellschaft Manuel Alcaraz das Unglücks. Die Fluten suchten sich ihren Weg über den Bach Agrio zum Fluß Guadiamar und von dort zum Guadalquivir, der in den Atlantik mündet.

Während die Polizei flußnahe Bauernhöfe evakuierte, begannen die Wasserschutzbehörden damit, die Schleusen weiter unten im Fluß, hin zum Nationalpark Doñana, der 1994 von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt wurde, zu schließen. Mit Erfolg, wie sich nach bangem Warten schließlich herausstellte.

Trotz aller Bemühungen zerstörte die 500 Meter breite Flutwelle aus säurehaltigem Wasser und schwarzem Schlamm — je nach Schätzungen zwischen 4.000 und 10.000 Hektar Ackerland, zumeist Reis- und Obstplantagen, von denen insgesamt 500 Familien leben. Wie und bis wann die verseuchten Böden wieder saniert werden können, weiß niemand. Vorsichtige Schätzungen sprechen von 18 Millionen Mark Sachschaden. Erste Landwirte haben bereits Klage gegen die schwedische Betreiberfirma der Minen, Boliden Apirsa, angekündigt.

Die andalusische Regionalregierung in Sevilla hat den Minen bis auf weiteres die Betriebsgenehmigung entzogen. Das Unglück wäre zu verhindern gewesen, hätten die zuständigen Politiker vor zwei Jahren mehr Mut besessen, als der Abwassersee in Aznalcóllar erstmals in den Blickpunkt der Kritik geriet. Nicht nur Umweltschützer beschwerten sich über die Filtrationen Richtung Grundwasser und dem angrenzenden Agrio, sondern auch ein hochrangiges Mitglied der Firmenleitung.

Nach seinem Ausstieg aus dem Unternehmen zeigte der Ingenieur Manuel Aguilar Campos den schwedischen Multi Boliden Apirsa bei der Regionalregierung an und forderte die sofortige Schließung des Stausees. Vergeblich. Die Unternehmensleitung der Minen in Aznalcóllar beteuerte, daß der Damm allen technischen Anforderungen genüge und keine Gefahr von ihm ausgehe. Der Regierung war das Wort des Betreibers damals genug.

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